Der Verehrer
gelegt hatte. »Ihre Blumen? Sie sind wunderschön! «
»Ich habe sie geschenkt bekommen, aber ich dachte, Eva sollte sie haben.«
Er nickte. »Ich denke viel an Eva«, sagte er, »sie … ist noch lebendig für mich.«
Sein bekümmertes Gesicht verriet einen Schmerz, den Leona nur zu gut nachempfinden konnte.
Sie wiederholte die Frage, die sie ihm gleich zu Anfang gestellt hatte: »Warum sind Sie nicht in Ascona? Sie leben doch noch dort, oder?«
Er nickte. »Ich habe wegen des Wohnungsverkaufs hier noch ein paar Dinge zu regeln. Ich werde für etwa zehn Tage hiersein. Ich habe mir etwas zum Arbeiten mitgebracht. Ab und zu komme ich gerne her. Ascona ist wunderschön, aber hin und wieder muß ich einfach zurück nach Deutschland.«
»Das kann ich verstehen.«
»Ich hätte Sie fast nicht erkannt«, fuhr er fort, »Sie sehen
verändert aus. Hatten Sie nicht noch im Sommer lange Haare?«
Sie strich sich über ihre kurzen Stoppeln. »Ich hatte das Bedürfnis, etwas zu verändern.«
»Ach so.«
Sein Gesichtsausdruck verriet nichts davon, ob er sie vorher attraktiver gefunden hatte. Unschlüssig standen sie einander im Regen gegenüber, und der Wind zerrte an ihren Mänteln.
»Wollen wir irgendwo einen Kaffee zusammen trinken? « fragte Robert.
Leona dachte an ihr leeres, stilles Haus, an den leeren, stillen Sonntagnachmittag, der vor ihr lag.
»Gehen wir«, sagte sie.
Mit dem Besitzer des italienischen Restaurants, in dem sie jeder eine Kleinigkeit aßen, unterhielt er sich in fließendem Italienisch, und sie erfuhr, daß er als Übersetzer für verschiedene italienische und deutsche Verlage tätig war.
»Welche Sprachen sprechen Sie noch?« fragte sie.
Er zählte auf: »Englisch natürlich, Französisch, Spanisch. Und ein bißchen Russisch, aber das reicht bei weitem nicht für Übersetzungen.«
»Sie müssen sehr sprachbegabt sein.«
Er nickte stolz. »Es fiel mir immer leicht, Sprachen zu lernen. Ich habe mich nie sehr darum bemühen müssen.«
»Ich bewundere das. Man kriegt so viel mehr mit von der Welt, wenn man auch in anderen Ländern versteht, was um einen herum gesprochen wird.«
Er lächelte. »Das erleichtert vieles, ja.«
Der Kellner brachte ihren Cappuccino. Während er in seiner Tasse rührte, fuhr Robert fort: »Sie arbeiten in einem Verlag, nicht?«
»Ich bin Lektorin. Woher wissen Sie das?«
»Lydia hat es mir erzählt. Sie wissen schon, Evas Nachbarin. «
Leona mußte grinsen. »Sie hat es Ihnen nicht erzählt, Sie haben sie ausgefragt. Sie haben sie gefragt, ob ich verheiratet bin.«
»Ich habe mir doch gleich gedacht, daß man ihr nicht trauen kann«, sagte Robert resigniert. »Sie ist ein entsetzliches Plappermaul.«
»Sie scheint Bernhard Fabiani meine Telefonnummer gegeben zu haben.« Leona berichtete von Bernhards Anruf im September. »Ich habe ihn nicht zurückgerufen, und er hat sich dann auch nicht mehr gemeldet.«
»Wahrscheinlich hoffte er, bei Ihnen landen zu können«, meinte Robert. Er rührte heftig in seiner Tasse, der Kaffee schwappte auf den Unterteller. »Das soll Sie nicht diskreditieren, Leona, aber er versucht es wirklich bei jeder ! «
» Er wirkte auf mich gar nicht so.«
»Darauf ist Eva ja auch hereingefallen. Auf seine ruhige, seriöse Ausstrahlung. ›Ein Mann zum Festhalten‹, sagte sie vor der Hochzeit. Nach der Hochzeit redete sie meist ganz anders.«
»Kennen Sie ihn gut?«
»Nicht besonders. Wir hatten nicht allzuviel Kontakt in den Jahren ihrer Ehe. Ich erinnere mich, als sie das erstemal zu mir nach Ascona kamen. Bernhard flirtete mit einer Hotelangestellten, und Eva verlor völlig die Nerven. Sie stand mitten in der Nacht in Tränen aufgelöst vor meiner Wohnungstür. Ich hielt das damals noch für ein einmaliges Vorkommnis. Aber die Fälle häuften sich.«
»Sie sagten einmal, Sie hätten Eva vor ihm gewarnt?«
»Ich hatte ein dummes Gefühl bei ihm. Unglücklicherweise konnte ich es nicht genau definieren, und damit
waren all meine Warnungen natürlich wenig überzeugend. «
»Was mich wundert«, sagte Leona, »ist, daß die beiden doch seit vier Jahren geschieden sind. Hat sie denn nach der Trennung immer noch unter seinen Affären gelitten?«
Robert zuckte die Schultern. »Laut Lydia: ja. Eva hat wohl nie aufgehört zu hoffen, es werde wieder alles gut zwischen ihr und Bernhard. Sie hatte schlimme Depressionen. «
»Lydia sagte, die seien besser geworden.« Sie erinnerte sich an den Tag des Unglücks. Lydia hatte damals
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