Der Verehrer
langer, kalter Winter«, meinte Leona.
»Wo hast du ihn kennengelernt?« fragte Wolfgang. Er konnte sich nicht zurückhalten. Er mußte es wissen.
»Über Lydia«, sagte Leona.
Lydia? Der Name sagte ihm nichts. Er runzelte die Stirn. » Wer … «, begann er, aber nun hatte er die Grenze ihrer Geduld überschritten. Sie unterbrach ihn mit scharfer Stimme.
»Wolfgang, hör bitte auf, mir Fragen zu stellen. Das geht
dich alles nichts an. Du hast dich aus meinem Leben entfernt. Aus Gründen, die ich nicht verstehen kann, die ich aber akzeptieren muß. Versuche jetzt nicht, hintenherum noch irgendeinen Zugriff auf mich zu behalten. Geh konsequent deinen Weg. Ich gehe meinen.« Sie schloß mit Nachdruck die Tür.
Er stand im Regen, in der einfallenden Dunkelheit und dachte an den Kerl, der seinen Bademantel trug. An Leona, die so erwachsen ausgesehen hatte mit ihren kurzen, nassen Haaren, und zugleich so verletzbar.
Er ging langsam zu seinem Auto.
»Alles in Ordnung?« fragte Robert, als sie ins Zimmer zurückkam.
Er hatte sich einen Whisky genommen und stand am Fenster. Wolfgangs alter Bademantel spannte ein wenig an seinen Schultern. Wolfgang hatte diesen Bademantel jahrelang getragen, bis der Stoff ganz dünn geworden war und Leona ihm einen neuen geschenkt hatte. Nun berührte es sie auf eigenartige Weise, das alte Stück wiederzusehen – mit einem anderen Mann darin.
Plötzlich verlegen geworden, sagte sie: »Ich gehe nur rasch nach oben und ziehe mir etwas an.«
Er sah sie an, trat dann auf sie zu und berührte kurz ihren Arm.
»Wäre es Ihnen lieber, wenn ich ginge?«
»Ach was!« Sie lachte unmotiviert, es klang künstlich. »Wir wollten uns doch etwas zu essen bestellen. Außerdem sind Ihre Kleider viel zu naß. Wissen Sie, wie man ein Kaminfeuer anzündet? Dann könnten Sie das im Eßzimmer tun, während ich mich anziehe, und wir werden Ihre Sachen davor zum Trocknen aufhängen.«
Ihr war bewußt, daß sie zu hastig redete, aber es gelang
ihr nicht, die Nervosität unter Kontrolle zu bringen. Irgendwie hatte sich mit Wolfgangs Erscheinen alles verändert. Ihre Unbefangenheit war verschwunden. Sie sah die Situation, wie er sie gesehen hatte: ein verregneter Novembernachmittag, sie beide hier im Haus, beide im Bademantel. Er hatte das unmöglich gefunden, das hatte sie gespürt. Und obwohl sie fand, daß er nicht das geringste Recht hatte, sich moralisch zu entrüsten, vermochte sie sich doch nicht gegen das Gefühl von Bedrückung zu wehren.
Robert trat noch näher an sie heran. »Was ist los?« Seine Stimme klang ruhig und mitfühlend.
Sie seufzte. »Nichts. Es ist alles in Ordnung.«
Er neigte sich vor, gab ihr einen raschen, freundschaftlichen Kuß. »Ich ziehe mich jetzt an und gehe in mein Hotel zurück. Es ist besser, wenn Sie ein wenig Zeit für sich selbst haben. Ich werde Sie anrufen.«
Sie war erleichterter, als sie es jemals zugegeben hätte. »Sind Sie denn noch eine Weile hier?«
»Bis Ende des Monats auf jeden Fall. Wir sehen uns bestimmt wieder.«
»Es tut mir leid«, sagte sie leise.
Mit den Fingern strich er ihre kurzen Haarsträhnen hinter die Ohren. »Es muß dir nicht leid tun«, sagte er, ohne Aufhebens vom Sie zum Du wechselnd. »Ich verstehe dich. Nur, weißt du, ich mag dich zu sehr, als daß ich einen Abend mit dir verbringen könnte, während du ständig an einen anderen Mann denkst. Das geht mir zu nahe. Verstehst du das auch?«
Sie nickte. Er lächelte wieder – nie habe ich ein wärmeres Lächeln bei einem Mann gesehen, dachte sie – und verschwand dann die Treppe hinauf, um sich seine nassen Kleider wieder anzuziehen.
Zehn Minuten später verließ er das Haus.
»Du brauchst deine schlechte Laune wirklich nicht an mir auszulassen«, rief Nicole wütend, »ich konnte ja nicht wissen, daß du dich ausgesperrt hattest!«
»Du hast gesagt, du bist um acht daheim. Jetzt ist es zehn«, sagte Wolfgang ebenso wütend.
Er wußte, daß er im Unrecht war, daß er sich wie ein Pascha aufführte, der seiner Frau die Minuten vorrechnete, die sie zu spät nach Hause kam. Aber er brauchte ein Ventil für all die widersprüchlichen, zornigen, aufgeregten Gefühle, die dieser frustrierende Tag in ihm ausgelöst hatte. Nachdem er von Leona fortgegangen war, hatte er sich in ein Café gesetzt und Zeitung gelesen, aber er hatte sich kaum konzentrieren können, und die Minuten waren quälend langsam dahingeschlichen. Um Viertel vor acht hatte er sich auf den Heimweg gemacht
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