Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Verehrer

Der Verehrer

Titel: Der Verehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
Vom Netzwerk:
hatte er nicht gewagt, in Nicoles Anwesenheit noch einmal davon zu sprechen. Keinesfalls wollte er erneut in Verdacht geraten, eifersüchtig zu sein. Aber dann brachte ihn ausgerechnet Nicole auf die richtige Fährte, als sie ihm erzählte, sie wolle in der ersten Folge ihrer im März startenden Talkshow Menschen befragen, die bereits einmal versucht hatten, sich das Leben zu nehmen. Sie sollten Auskunft über ihre Motive geben, über ihre Gefühle vor und nach dem gescheiterten Versuch.
    Als er ›Selbstmord‹ hörte, durchzuckte es ihn.
    »Natürlich!« sagte er. »Das ist es. Lydia! Die Nachbarin von dieser Selbstmörderin!«
    Nicole sah ihn ein paar Momente lang verständnislos an, dann begriff sie und begann zu grinsen.
    »Du denkst ja immer noch darüber nach! Du kommst nicht darüber hinweg, daß deine verlassene Ehefrau einen anderen hat. Meine Güte, Wolfgang, du bist wirklich ein hartnäckiger Fall!«
    Er antwortete nicht darauf. Hätte er sich verteidigt, es hätte sie nur in ihrer Vermutung bestärkt, daß er von Eifersucht umgetrieben wurde. Er war nicht eifersüchtig. Aber er hatte Leona verlassen, und in ihrem Kummer mochte sie
nun Fehler machen. Es war seine Pflicht herauszufinden, ob mit ihrem ominösen Verehrer alles in Ordnung war.
     
    Leona fing an, sich selbst wieder als Ganzes zu empfinden. Nach der Trennung von Wolfgang war es ihr vorgekommen, als sei sie nur noch ein halber Mensch. Leer und ausgebrannt war sie herumgelaufen, hungrig und frierend. Nun wurde ihr wieder warm, und die Leere begann sich zu füllen.
    So düster und kalt der Januar zu Ende ging, so naß und neblig der Februar begann – es gab Leona Freude und Kraft zurück, wenn sie abends durch den Schneematsch nach Hause lief und schon von weitem die hellerleuchteten Fenster ihres Hauses sah. Warm und anheimelnd fiel der Schein in die spätwinterliche Dämmerung. Wenn sie die Tür aufschloß, konnte sie schon riechen, daß Robert beim Kochen war. Er kam ihr entgegen, nahm ihr den Mantel ab, küßte sie, strahlte, weil sie endlich zurück war. Im Wohnzimmer spielte Musik, im Eßzimmer brannte der Kamin, und der Tisch war sorgfältig gedeckt. Dolly und Linda, die beiden Katzen, lagen schlafend in irgendwelchen Sesseln, räkelten sich und schnurrten, wenn Leona zu ihnen kam und sie streichelte. Auf Leonas kleinem, altem Sekretär im Wohnzimmer stand Roberts Schreibmaschine, daneben türmten sich Papierberge. Robert übersetzte ein Mammut-Manuskript aus dem Italienischen ins Deutsche, für einen kleinen Verlag, von dem Leona noch nie gehört hatte und der sich noch aus DDR-Zeiten in den neuen Bundesländern gehalten hatte.
    »Kann so ein Mini-Verlag denn eine so langwierige Übersetzung bezahlen?« hatte sie Robert einmal erstaunt gefragt. Robert war ein wenig verlegen geworden.
    »Sie können fast nichts bezahlen«, sagte er schließlich,
»aber ich konnte trotzdem nicht nein sagen. Dieses Buch wird nie ein Bestseller, aber es hat eine so wunderbare Sprache, eine solche Feinheit in der Erzählweise, daß ich verrückt danach war, es zu übersetzen. Nenne es hoffnungslos idealistisch … auf diese Weise wird aus mir natürlich nie ein wohlhabender Mann!«
    Wie anders er doch war als Wolfgang, fand Leona. Wolfgang hätte nie einen Finger krumm gemacht für etwas, wofür er nicht angemessen bezahlt wurde. Sie sah sich wieder einmal in ihrer Überzeugung bestätigt, daß Robert ein Künstler war. Geld war für ihn eine Nebensächlichkeit. Er würde mindestens drei Monate an dem Buch arbeiten müssen – für den berühmten Apfel und das Ei. Leona liebte ihn dafür.
    Er war knapp bei Kasse, wie er sagte, bot aber trotzdem an, die Ausgaben für Essen, Trinken, Strom und Wasser mit ihr zu teilen. Sie wußte, daß ihm das schwerfiel, und lehnte sein Angebot ab.
    »Das kommt nicht in Frage. Du kümmerst dich ja hier schon um alles, hältst das Haus sauber, kochst und kaufst ein. Da werde ich die paar Lebensmittel wohl noch bezahlen können.«
    Sie verschwieg, daß sie das nur deshalb konnte, weil Wolfgang noch immer seinen Anteil an Zinsen und Tilgung für das Haus überwies. Sie akzeptierte dies, weil die Alternative der Verkauf gewesen wäre, und davor schreckte sie noch immer zurück.
    Nur einen Sommer noch, dachte sie manchmal, nur einen Sommer noch in meinem wunderschönen Garten.
    Robert arbeitete hart, wenn er nicht gerade Reparaturen im Haus durchführte, die Katzen zum Tierarzt brachte oder einkaufte. Während er übersetzte, ließ

Weitere Kostenlose Bücher