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Der Verehrer

Der Verehrer

Titel: Der Verehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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sie herkommt, wie sie lebt …«
    »Sie redete nicht gern von sich. Meistens erzählte ich von mir. Es ging im allgemeinen um … na ja, worum geht’s bei Frauen im allgemeinen? Um Männer! Erst nach einer Weile habe ich gemerkt, daß sie langsam alles von mir weiß, aber ich nichts von ihr.«
    Anna, die immer geredet hatte wie ein Wasserfall! Die übersprudelte vor lauter Mitteilungsbedürfnis!

    Lisa öffnete ihre Handtasche und zog ein Foto von Anna heraus. »Wir reden doch von derselben Frau, oder? Hier, das ist meine Schwester. Mit achtzehn. Ein neueres Bild habe ich ja leider nicht von ihr.«
    Frederica betrachtete das Foto. »Ja. Das ist sie auf jeden Fall. Aber als ich sie kennenlernte, war sie viel dünner.«
    »Sie ist auf dem Bild doch auch schon ganz schlank!«
    »Ja. Aber in Spanien war sie völlig abgemagert. Sie hat die ganze Zeit über auch nie richtig gegessen. Sie sagte immer, sie habe einen nervösen Magen und könne einfach kaum etwas vertragen.«
    »Und auf die Frage, woher sie kommt, hat sie …«
    »Da hat sie dieses Kaff genannt, in dem Sie ja auch leben. Bei Augsburg, hat sie gesagt.«
    »Und beruflich?«
    »Da war sie ziemlich ausweichend. Sie habe nichts gelernt, sagte sie, jobbe mal hier, mal da, aber sie kümmere sich seit dem Tod ihrer Mutter hauptsächlich um ihren Vater, die jüngere Schwester und den Haushalt.«
    Lisa gab einen Laut der Empörung von sich. Das war wirklich dreist! Nicht einen Tag lang hatte sich Anna um irgend etwas gekümmert!
    »Ich habe ihr vorgeschlagen, es doch mal in meinem Job zu versuchen«, sagte Frederica. »Soviel Geld verdient man sonst nirgends so schnell und angenehm.«
    »Was machen Sie denn?«
    »Ich arbeite in einem Escort-Service. Wissen Sie, was das ist?«
    Lisa hatte nur eine vage Vorstellung. »Nicht genau …«
    »Wir werden von Männern dafür bezahlt, daß wir sie dorthin begleiten, wohin sie nicht gern allein gehen.«
    Ins Bett, dachte Lisa.
    »Einsame Männer, Geschäftsreisende, die essen gehen
wollen, ins Theater, in eine Bar … wohin auch immer. Das läuft über eine Agentur. Die bekommt eine Provision, wir den Rest. Aber man kriegt nebenher noch viele großzügige Geschenke, und dann natürlich immer die Abendessen, den Champagner …«
    Es klang nach Paradies, fand Lisa. Genaugenommen könnte es das sein, wonach sie immer gesucht hatte.
    »Nun, jedenfalls habe ich Anna vorgeschlagen, sich bei meiner Agentur zu bewerben«, fuhr Frederica fort. »Das Aussehen dazu hatte sie jedenfalls. Sie meinte, sie werde es sich überlegen. Aber ich hatte den Eindruck, daß sie mir gar nicht richtig zuhörte. Einerseits schien sie ständig ihre Umgebung zu mustern, argwöhnisch und mißtrauisch, und gleichzeitig war sie immer wie in sich selbst versunken. Ich wurde nicht recht schlau aus ihr.«
    »Haben Sie sie nach einem Mann in ihrem Leben gefragt?«
    »Natürlich. Aber da sei keiner, hat sie gesagt. Ich mochte es ja kaum glauben. So eine hübsche Frau … Sie erzählte, sie habe längere Zeit mit einem Mann zusammengelebt, aber die Beziehung sei dann irgendwie zerbrochen.«
    »Hat sie gesagt, wer dieser Mann war?«
    Frederica schüttelte den Kopf. »Nein. Sie schien nicht darüber reden zu wollen, daher habe ich nicht nachgehakt. Wissen Sie, irgendwann hatte ich kapiert, daß sie diese Dinge für sich behalten wollte, und da habe ich dann gar nicht mehr versucht, sie auszuquetschen.«
    »Ich verstehe.«
    Lisa war enttäuscht. Sie hatte sich mehr von dem Gespräch mit Frederica erhofft. Im Grunde war sie nun kaum schlauer als vorher.
    »Hat Anna erwähnt, daß sie in Südamerika gelebt hat?« erkundigte sie sich. Frederica verneinte dies. Dann schaute sie auf ihre Armbanduhr.

    »Leider muß ich unser Gespräch nun beenden. Ich habe einen Job heute abend. In einer Stunde muß ich los, und vorher will ich mich noch zurechtmachen.«
    Dabei sieht sie doch ohnehin perfekt aus, dachte Lisa. Sie stand auf.
    »Ja, dann gehe ich jetzt. Vielen Dank, daß Sie Zeit hatten für mich.«
    »Keine Ursache. Ich konnte Ihnen ja kaum helfen. Es tut mir wirklich leid wegen Ihrer Schwester.«
    »Wenn Ihnen noch etwas einfällt, könnten Sie mich dann anrufen?« fragte Lisa.
    »Natürlich«, sagte Frederica, aber irgendwie klang das mechanisch, so als habe Frederica die ganze Geschichte längst abgehakt und beiseite gelegt.
    Als Lisa wieder unten auf der Straße stand, überlegte sie, ob sie nun nicht doch den Kommissar verständigen sollte. Ihr Gespräch hatte sie

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