Der Verehrer
Zeit.«
»Heute abend sind wir dann zu müde. Laß es uns hinter uns bringen.«
Er verzog das Gesicht und sah dabei aus wie ein trotziges Kind.
»Jetzt sei doch nicht so spießig, Leona! Die Sonne scheint! Ich habe Lust, am See zu sitzen und ein Glas Wein zu trinken. Und du willst aufräumen!«
»Schau mal, wir können ja heute abend nicht einmal unsere Betten herunterklappen, so wie es jetzt aussieht! Und es ist so … ungemütlich.«
Schmollend schob er die Unterlippe vor. »Es gefällt dir hier nicht, oder? Du hast etwas Prächtiges erwartet, stimmt’s? Ein Zehn-Zimmer-Appartement mit Dachgarten oder etwas Ähnliches!«
»Das ist doch Blödsinn. Ich kann allerdings im Moment wirklich nur schwer feststellen, ob mir diese Wohnung gefällt oder nicht, weil ich den Eindruck habe, auf einer Müllhalde gelandet zu sein. Aber das läßt sich schließlich in Ordnung bringen.«
Sie hatte den letzten Satz in einem bittenden, versöhnlichen Ton gesagt, erkannte aber an seinem Gesichtsausdruck, daß sie damit nicht zu ihm vordrang. Inzwischen wußte sie diese eigentümliche Starre in seinen Augen schon zu deuten.
O nein, dachte sie, bitte nicht. Keinen Streit gleich am ersten Tag! Es sollte doch ein schöner Urlaub werden.
»Ich habe eine Idee«, sagte sie betont heiter. »Ich bringe das hier allein in Ordnung. Wahrscheinlich geht es dann sowieso schneller. Du schaust dich so lange ein bißchen in Ascona um, und später holst du mich zum Abendessen ab, okay? Sicher hast du irgendein Lieblingsrestaurant, in das du am ersten Abend gern gehen würdest.«
Du bist eine Idiotin, sagte eine innere Stimme zu ihr, raspelst
hier Süßholz und bietest dich an, die Dreckarbeit zu machen, während der hohe Herr ein wenig in der Sonne am See entlangschlendert. Es wäre seine verdammte Sache, hier den Saustall zu beseitigen! Du legst genau diese blödsinnige Harmoniesucht an den Tag, die dich zur Unterwürfigkeit verleitet und schwach macht!
Aber sie wollte diese Stimme jetzt nicht hören. Sie wollte jetzt keine Auseinandersetzung, sie war müde von der Fahrt, sie sehnte sich nach einer erfrischenden Dusche, nach Ruhe, danach, hier Ordnung zu schaffen, um sich wohl fühlen zu können. Sie sehnte sich, wie sie erstaunt erkannte, sogar danach, für eine Weile allein zu sein.
»Also, wenn du lieber hier die Putzfrau spielst, als dir Ascona anzuschauen, dann ist dir nicht zu helfen«, sagte Robert. Er klang wütend. »Ich gehe jedenfalls etwas trinken. Es war nie meine Absicht, dich zu meiner Haushälterin zu machen, aber wenn du unbedingt eine sein willst – bitte sehr! Bloß beschwere dich nachher nicht!«
Damit rauschte er hinaus und schlug die Wohnungstür hinter sich zu. Leona ließ sich auf einen Fußschemel sinken und stützte den Kopf in die Hände.
Die erste gemeinsame Reise fing höchst vielversprechend an.
Es war kurz nach sieben Uhr, als Leona die Wohnung so weit in Ordnung gebracht hatte, daß Menschen darin leben und sich einigermaßen wohl fühlen konnten. Sie hatte allen Abfall in einer großen Tüte gesammelt und nach unten in den Müllcontainer gebracht, danach die vielen herumliegenden Wäschestücke, Hand- und Badetücher in die Waschmaschine im Keller, anschließend in den Trockner verfrachtet. Von einer Dame im ersten Stock lieh sie sich Spül- und Putzmittel, reinigte einen ganzen Stapel Geschirr,
putzte gründlich Bad und Küche, wischte den fingerdicken Staub von allen Flächen im Wohnzimmer. Sie ging noch einmal zu der Dame hinunter – die sie ziemlich mißtrauisch musterte – und lieh sich einen Staubsauger, dessen Benutzung ihr die überraschende Tatsache enthüllte, daß der Wohnzimmerteppich leuchtend blau und nicht grau war. Sie klappte die Betten herunter, weil sie plötzlich argwöhnte, die Wäsche könnte nicht frisch sein, und fast hob es ihr den Magen, als ihr der muffige Geruch entgegenschlug.
Jahre , dachte sie fast hysterisch, seitdem die Decken zuletzt bezogen wurden!
Sie stellte eine zweite Waschmaschinenfüllung mit Bettwäsche an, dankbar, daß es einen Trockner gab und sie hoffen konnte, bis nachts alle Sachen fertig zu haben. Es sah jetzt recht wohnlich aus im Zimmer, man hatte ein Sofa und zwei Sessel zum Sitzen und einen kleinen Eßtisch mit vier Stühlen in der Ecke. Die Sonne ging unter, am Berghang jenseits des Fensters flammten vereinzelt Lichter auf. Leona setzte sich auf das Sofa, zündete sich eine Zigarette an, streckte ihre müden Knochen und atmete tief
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