Der Verehrer
gehen.«
Fünfundzwanzig Minuten später hielten sie vor dem Haus an, in dem Robert wohnte. Es lag ein ganzes Stück entfernt vom See in der Via Murracio, einer langen, breiten Straße, die hauptsächlich von Neubauten gesäumt war. Das Haus, zu dem Robert Leona dirigiert hatte, mußte an die fünfzig Wohneinheiten beherbergen. Kleine, rosafarben gestrichene Balkons klebten entlang der Fassade. Das ganze Gebäude wirkte ein wenig trist, abgestoßen und abgeblättert. Eine staubbedeckte Palme wurzelte im Innenhof und reckte sich nach der Sonne. Es war nicht ganz das, was Leona erwartet hatte, aber es gelang ihr, diesen ersten Anflug von Enttäuschung zu verbergen.
Dachtest du, er hat eine Villa am See? fragte sie sich, aber in Wahrheit wußte sie, daß sie sich einfach nichts vorgestellt hatte, was schon von außen so schäbig aussah.
Die nächste Überraschung erwartete sie, als Robert im dritten Stock die Tür zu seiner Wohnung aufschloß. Die Wohnung ging nach hinten hinaus, somit nach Norden, und bestand überhaupt nur aus einem einzigen Zimmer, einer winzigen Küche und einem fensterlosen Mini – Bad.
Es herrschte ein Chaos, das Leona zurückzucken ließ.
Bücherstapel türmten sich auf dem Fußboden. Überquellende Aschenbecher verteilten sich malerisch im ganzen Raum. Socken, Unterwäsche, Pullover und schmutzige Servietten
flogen in allen Ecken herum. Zwei völlig vertrocknete Pflanzen in steinernen Blumentöpfen am Fenster hatten den Kampf ums Überleben aufgegeben, braun und tot hingen ihre Blätter herab. In einer gläsernen Kaffeekanne, die auf einem flachen Sofatisch stand, gammelte ein monatealter Kaffeerest vor sich hin. Daneben reihten sich an die zwanzig benutzte Tassen und Becher auf. Über einem Teller mit modrigem Gebäck lag eine dicke Staubschicht. Abgestandene Luft machte das Atmen schwer.
Leona balancierte durch das Zimmer, wobei sie trotz größter Vorsicht ständig auf irgend etwas trat, auf Zeitschriften oder Krawatten oder Geldstücke, und riß das Fenster auf. Weit lehnte sie sich hinaus, schnappte nach Luft.
»Lieber Himmel«, murmelte sie.
»Hier ist ja seit Dezember niemand mehr gewesen«, sagte Robert, »da riecht es nachher immer etwas komisch.«
Ja, aber normalerweise sieht es nicht so aus, dachte Leona. Sie wandte sich wieder vom Fenster ab – man hatte einen schönen Blick auf die Berge von dort – und ließ ihre Augen erneut angewidert durch den Raum gleiten. Sie war nie eine Ordnungsfanatikerin gewesen, ließ daheim auch eine Menge herumliegen und nahm es mit dem Staubwischen nicht allzugenau, aber dies hier … Sie konnte sich nicht vorstellen, wie ein Mensch in einem solchen Chaos leben konnte, wie er es fertigzubringen vermochte, eine Wohnung in diesem Zustand zu hinterlassen, wenn er für längere Zeit verreiste. Wenn er wenigstens den Kaffee weggeschüttet und die Aschenbecher geleert hätte …
»Es gibt nur dieses eine Zimmer?« fragte sie.
Robert nickte. »Wenn man es ein bißchen aufräumt, ist es ziemlich groß. Völlig ausreichend.«
Sie sah sich um. »Aber wo kann man schlafen?«
Robert wies auf die Schrankwand, die eine ganze Längsseite des Raumes in Anspruch nahm.
»Da kann man abends ein Doppelbett herunterklappen. «
»Aha. Und wo hängt man seine Kleider auf und verwahrt Wäsche und Strümpfe und solche Sachen?«
»Ich zeige es dir!«
Er winkte ihr, ihm zu folgen, und sie balancierte erneut durch das Chaos. In der kleinen Diele, von der Zimmer, Küche und Bad abgingen, befanden sich zwei weißtürige Einbauschränke, darunter und darüber eine Reihe von Schubladen.
»Hier«, sagte Robert stolz, »da geht eine ganze Menge rein!«
Er öffnete eine der Türen. Leona erkannte einige buntbedruckte Sommerröcke, ein paar T – Shirts, eine dunkelblaue Kostümjacke. Auf dem Boden des Schrankes standen zwei Paar Damenschuhe.
Robert schien etwas verlegen. »Oh … ich habe gar nicht mehr daran gedacht … das sind noch Sachen von Ines. Das meiste habe ich ans Rote Kreuz gegeben, aber einiges … ich werde es sofort wegräumen!«
Wo will er es denn hier noch hinräumen? dachte Leona aggressiv.
»Laß nur«, sagte sie, »mich stören die Sachen nicht. Ich werde sie einfach zur Seite schieben.«
Robert schien erleichtert. »Gut. Paß auf, ich hole jetzt unser Gepäck herauf, und dann gehen wir gleich an den See, und ich zeige dir die Altstadt und …«
»Wir sollten hier erst einmal etwas aufräumen, findest du nicht?«
»Das hat doch
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