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Der Verehrer

Der Verehrer

Titel: Der Verehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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kennengelernt habe. Gut, vielleicht verhalte ich mich manchmal zu ungeduldig oder aufbrausend, aber ich entschuldige mich immer und …«
    »… und schenkst mir Blumen oder drängst mir Eisbecher auf, die ich gar nicht will«, vollendete Leona seinen Satz. »Aber merkst du denn gar nicht, daß sich diese Vorfälle häufen? Deine Ausbrüche, deine Entschuldigungen, meine Verrenkungen, mir dein Verhalten zu erklären und es schließlich zu verzeihen … Allmählich bestimmt das alles ja die Tagesordnung bei uns!«
    »Du bauschst das auf! Ich habe gesagt, daß es mir leid tut, und …«
    »Robert!« Sie lehnte sich vor und sah ihn eindringlich
an. »Wie du dich gestern verhalten hast, das war nicht mehr normal. Bei allem Verständnis … aber so vollkommen die Kontrolle zu verlieren … das kann niemand mehr nachvollziehen.«
    Ungeduldig spielte er mit seinem Weinglas herum.
    »Kontrolle verlieren … kannst du mir sagen, warum du immer alles so schrecklich dramatisieren mußt? Was habe ich denn getan? Habe ich dich geschlagen? Dich sonst irgendwie verletzt?«
    »Nein. Aber ich dachte …«
    »Du dachtest! Du hast eine blühende Phantasie, Leona, das muß ich schon sagen. Du bildest dir immer irgendwelche Dinge ein, und nachher stellst du mich als ein unbeherrschtes Monster hin!«
    Sie erwiderte nichts, erkannte aber mit steigendem Zorn seine einfache Taktik, mit der er jedesmal die Dinge zu seinen Gunsten verdrehte. Er war der »große Junge«, temperamentvoll und manchmal etwas ausufernd, aber natürlich war ihm nie ein ernsthaftes Fehlverhalten vorzuwerfen. Sie zickte herum, machte aus jeder Mücke einen Elefanten und spielte ständig den gekränkten Ankläger.
    Diesmal nicht, dachte sie, diesmal kommst du mit deiner Methode, einfach schleunigst den Spieß umzudrehen, nicht durch!
    Sie hatte gedacht, er wolle sie umbringen.
    Das war das eigentlich Schlimme, was ihr noch jetzt, im hellen Sonnenschein am Ufer des Lago, die Kehle zuzuschnüren schien, wenn sie daran dachte. Sie hatte nicht einfach gefürchtet, er werde sie ohrfeigen, obwohl er die Hand gehoben hatte, als sei er dicht davor. Was sie in seinen Augen gelesen hatte, ging über den bloßen Wunsch, ihr weh zu tun, hinaus. Sie sah die Versuchung in ihnen, sie ein für allemal gefügig zu machen, sie jedes eigenen
Willens zu berauben, und sei es nur der Eigenständigkeit, mit der sie atmete. Sie sah, daß er sie töten wollte.
    Das Verlangen schwelte nur eine Sekunde, dann verlosch es, aber so kurz es auch aufgeflammt war, Leona wußte, daß sie sich nicht getäuscht hatte. Zurück blieb ein zorniger, tobender Mann, der aufsprang und auch Leona mit einem groben Ruck auf die Füße zerrte.
    »Wo ist der Ring? Wo ist der Ring? Wo ist der Ring?«
    Er wiederholte die Frage immer wieder in einem hämmernden Stakkato, das wie das Rattern eines Maschinengewehrs klang. Leona hatte gar nicht sofort begriffen, welchen Ring er meinte. Dann wurde ihr klar, daß es um den Ring ging, den er ihr an jenem Winterabend in Lauberg am See geschenkt hatte.
    »Der Ring … er muß im Bad liegen. Ich habe ihn abgezogen, als ich anfing zu putzen.«
    »Wir hatten vereinbart, daß du ihn nie ablegst!«
    »Robert, was ist denn nur los mit dir?«
    Er stürzte ins Bad, fand den Ring dort glücklicherweise tatsächlich neben dem Waschbecken, kehrte mit ihm zurück. Leona war inzwischen dabei, sich wieder anzuziehen. Ihre Hände zitterten.
    Er packte ihre rechte Hand, zerrte ihr den Ring über den Finger.
    »So!« Er war kalkweiß im Gesicht, seine Stimme vibrierte. »Tu das nie wieder, Leona! Tu das nie wieder!«
    Leona war immer noch fassungslos, da verrauchte seine Wut so schnell, wie sie aufgeflammt war. Er zog sich mit ruhigen Bewegungen an, strich sich die Haare glatt und lächelte.
    »Komm. Ich habe Hunger. Wir gehen ins ›al Porto‹. Da wird es dir gefallen.«
    Er wollte nach ihrem Arm greifen, aber da kam endlich
Leben in sie. Sie wich zurück und fauchte: »Faß mich nicht an! Faß mich bloß nicht an!«
    Robert schien verwirrt. »Was ist denn?«
    »Das fragst du noch? Du machst mir eine solche Szene, und dann willst du mit mir essen gehen, als ob nichts gewesen wäre? Und fragst noch, was denn ist? Bist du komplett verrückt geworden?«
    »Ich habe mich erschrocken, als ich sah, daß der Ring weg ist. Es hätte ja sein können, du hast ihn verloren!«
    »Und wenn? Hätte dir das das Recht gegeben, hier eine solche Show abzuziehen? Zu schreien wie ein Wahnsinniger und einen

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