Der Verehrer
doch nur ein Entweder – Oder. Man liebt sich, oder man liebt sich nicht. In einem Fall kommt man klar miteinander, im anderen nicht.«
Wenn es irgendwo eine Macht gab, die Gerechtigkeit übte, so zahlte sie ihm seine selbstgefällige Überheblichkeit
nun heim. Am eigenen Leib und sehr bitter mußte er erfahren, daß er Blödsinn geredet und Blödsinn gedacht hatte und daß die Dinge bei weitem nicht so einfach waren, wie er sie für sich gerne hingedreht hätte. Er mußte feststellen, daß man einen Menschen lieben und dennoch unfähig sein konnte, mit ihm zu leben, und diese Konstellation lief hinaus auf quälendes Sich-Aufreiben, auf zermürbendes Verharren in einem Patt, bis man so ausgeblutet war, daß man sich für das eine oder andere entschied – und dabei auch keine Erleichterung mehr fand.
Nicht grübeln, nicht grübeln, befahl er sich, während er in die Küche ging, seine Pizza aus dem Backofen nahm und auf einen Teller legte.
Aber deshalb bist du hier, sagte er sich gleich darauf: um zu grübeln. Zu denken. Eine Lösung zu finden.
Mit Pizza und Bier begab er sich ins Wohnzimmer, setzte sich vor den Fernseher. Er wollte nachdenken über alles, aber nicht jetzt. Er war zu müde. Morgen blieb genug Zeit. Und morgen abend würde Leona zurückkehren, und vielleicht wußte sie etwas zu berichten von Olivia – irgend etwas, das ihm weiterhalf.
Nach dem Essen mußte er irgendwann eingeschlafen sein. Es lief ein ziemlich langweiliger Film – ein lahmes Beziehungsdrama – , aber Paul hatte nicht einmal mehr die Energie aufgebracht, per Fernbedienung einen anderen Sender zu suchen. Er wußte nicht, was ihn schließlich weckte, er merkte nur sofort, daß sein Hals steif war und schmerzte von der unangenehmen Lage, in der sich sein Kopf befunden hatte.
Leise stöhnend richtete er sich auf. Dunkelheit lag jenseits der Fenster, auch das Zimmer war dunkel, nur die Fernsehbilder warfen zuckende Lichter. Es mußte inzwischen
ein anderer Film laufen, jedenfalls konnte sich Paul an die soeben agierenden Personen nicht erinnern. Zwei junge Frauen stritten erbost miteinander, wobei es offenbar um einen Mann namens Mike ging, der mit der einen verlobt, mit der anderen nichtsdestoweniger intim verbandelt war, was die Verlobte heftig aufbrachte. Aber trotz der Vehemenz ihrer Auseinandersetzung schwiegen beide plötzlich, taxierten einander wie zwei lauernde Katzen, und Paul dachte gerade, nun würden sie gleich mit den Fäusten aufeinander losgehen, da vernahm er in der entstandenen Stille ein Geräusch, und das Geräusch gehörte eindeutig nicht zum Film.
Es kam von der Haustür her. Jemand machte sich mit einigem Eifer am Schloß zu schaffen.
Pauls erster Gedanke war: Leona!
Er stand auf, stöhnte erneut, denn inzwischen bekam er Muskelkater von der ungewohnten körperlichen Anstrengung des Tages. Er wollte Leona entgegengehen, sie willkommen heißen – da verharrte er auf einmal. Die Geräusche wurden lauter, rücksichtsloser. Jemand kratzte und stocherte im Schloß herum, und zwar jemand, der offensichtlich den falschen, das hieß: den alten Schlüssel hatte. Und das konnte nicht Leona sein.
Er glaubte nicht an den ominösen Psychopathen, aber ein bißchen komisch war ihm trotzdem zumute. Er trat an das große Erkerfenster, das nach vorn hinausging, zog mit einem Ruck die Vorhänge zu. Falls dieser Wer-auch-Immer ums Haus herumschlich, würde es ihm wenigstens nichts nützen, wenn er sich die Nase an der Scheibe plattdrückte. Alle Schlösser waren ausgewechselt, er konnte mit seinem Schlüssel herumprobieren, bis er schwarz wurde. Es war noch etwas Bier in der Flasche. Paul schenkte sich ein, setzte sich wieder in seinen Sessel.
In diesem Moment fiel ihm die Küchentür ein.
Er erstarrte, setzte sein Glas mit einem Klirren auf den Tisch. Verdammt, er hatte ja diese Tür nicht mehr zugemacht! Er hatte sie offenstehen lassen, um den Farbgestank loszuwerden, und nun hatte er völlig vergessen, sie wieder zu schließen.
Aber wer immer sich da draußen zu schaffen machte, er würde nicht sofort um das Haus herum laufen und nach dem Hintereingang sehen. Zeit genug, in die Küche zu gehen und die Tür zu schließen.
Und selbst, wenn du ihm plötzlich gegenüberstehst, sagte Paul spöttisch zu sich, was sollte dann wohl geschehen? Daß er dich anfällt wie ein wütendes Tier?
Er fiel ihn an wie ein wütendes Tier, kaum daß er die Küche betrat. Er war schon dort gewesen, er mußte schnell wie ein Blitz in
Weitere Kostenlose Bücher