Der Verehrer
in einem
Rausch gewesen sein, in einem Rausch des Hasses, der Wut, des hemmungslosen Dranges, zu töten. Sonst konnte man einen Menschen nicht so zurichten.
»O Gott«, flüsterte sie, den Tränen nahe, »o Gott, Paul! Atme doch! Bewege dich doch!«
Ganz vorsichtig berührte sie seine Stirn. Keine Reaktion. Aber täuschte sie sich, oder war da eine Atembewegung an seiner Brust zu sehen?
»Er lebt«, sagte sie, als Wolfgang in die Küche zurückkam. »Er atmet nur ganz schwach, aber er lebt!«
»Der Notarztwagen ist gleich hier«, sagte Wolfgang. Kopfschüttelnd betrachtete er den malträtierten Körper. »Wie hat er das bloß …«
»Er hat gar nichts«, sagte Leona.
Sie kniete noch immer neben dem Schwerstverletzten und betrachtete ihn voller Grauen.
»Er ist nicht gestürzt, Wolfgang. Jemand hat ihn fast totgeschlagen. Jemand hat versucht, ihn umzubringen.«
»Also, und Sie meinen, dieser Herr … Robert Jablonski ist hier eingebrochen und hat Ihren Schwager zusammengeschlagen? « fragte Kommissar Weissenburger müde.
Er saß auf dem Sofa in Leonas Wohnzimmer, ein Glas Wasser und einen Kaffee vor sich, und mußte sich bemühen, seinen Unwillen über den verpfuschten Sonntagabend hinter einem Mindestmaß an Höflichkeit zu verbergen. Er machte gerade eine Diät und war ohnehin schlechter Laune, und er hatte sich in seiner allgemeinen Frustration nur mit der Aussicht auf einen gemütlichen Fernsehabend getröstet. Aber dann hatte man einen halbtoten Mann in einer Küche gefunden, die Umstände legten den Verdacht auf ein Verbrechen nahe, und schon war es vorbei mit der Gemütlichkeit. Nun saß er hier und mußte
eine ziemlich aufgeregte Frau und den von ihr getrennt lebenden Ehemann befragen, während die Beamten der Spurensicherung die notwendigen Untersuchungen am Tatort vornahmen. Er trank noch einen Schluck Kaffee und sagte sich, daß das Leben zum Kotzen war.
Leona und Wolfgang saßen ihm gegenüber, ebenfalls jeder eine Kaffeetasse vor sich, wobei Leona die ihre noch nicht angerührt hatte. Ihr Hals war wie zugeschnürt. Sie hatte das Gefühl, nicht einmal mehr Flüssiges schlucken zu können.
Paul war tatsächlich noch am Leben, wie der Notarzt sofort festgestellt hatte, aber er hatte auch gesagt, es sehe schlimm aus, und im Krankenhaus müsse sofort alles für eine Notoperation vorbereitet werden. Wie in Trance hatte Leona den Sanitätern zugesehen, als sie Paul auf einer Bahre aus dem Haus in das bereitstehende Rettungsfahrzeug trugen. Die Leute aus den umliegenden Häusern hatten sich draußen versammelt und zu einer schweigenden Zuschauermenge zusammengeschlossen.
Nichts als glotzen können sie, dachte Leona voller Wut, aber sie haben nicht bemerkt, daß hier wer weiß wie lange ein Schwerstverletzter herumlag! Sie tat den Leuten Unrecht, das wußte sie, wie hätten sie merken sollen, was im Haus geschehen war? Aber ihre überreizten Nerven suchten ein Ventil, und sie hatte keine Lust, fair zu sein. Und vor allem nicht die Kraft.
Der dürre Kommissar, der dauernd von der Diät faselte, der er sich aus unerfindlichen Gründen unterzog, wirkte alles andere als beruhigend auf sie. Wer hatte eigentlich die Polizei gerufen? Wolfgang , die Sanitäter, der Arzt? Egal, Hauptsache, sie waren da.
Ach Paul, dachte sie voller Traurigkeit, hätten wir doch schon vor einer Woche die Polizei verständigt! Du hast
mich damals davon abgehalten, und ich kann nur beten, daß du das jetzt nicht mit deinem Leben bezahlst!
»Ich glaube nicht, daß Jablonski eingebrochen ist«, antwortete Wolfgang nun auf Weissenburgers Frage. »Denn wie Ihre Leute ja auch schon festgestellt haben, gibt es keinerlei Anzeichen eines gewaltsamen Eindringens.«
»Hm.« Weissenburger blickte auf einen Zettel, auf dem er sich ein paar Notizen gemacht hatte. »Sie haben ausgesagt, Frau Dorn, daß Sie mit Jablonski einige Monate lang liiert gewesen sind. Demnach hatte er vermutlich einen Schlüssel zum Haus?«
»Den hatte er mir zurückgegeben. Aber dann geschah etwas, das in mir den Verdacht erweckte, daß er sich insgeheim einen Nachschlüssel hatte anfertigen lassen. Inzwischen wurden alle Schlösser ausgetauscht.«
»Was erweckte den Verdacht in Ihnen?« fragte Weissenburger.
Leona berichtete kurz von dem Tierauge, das sie eine Woche zuvor in ihrer Dusche gefunden hatte. Sie erzählte, wie sie damals bereits die Polizei habe verständigen wollen, daß Paul ihr dies aber ausgeredet habe.
»Und einige Zeit davor wurde eine
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