Der vergessene Mond Band II - Das schwarze Buch (German Edition)
der dicke Händler aus dem kleinen Tempel gelaufen kam und dabei mit einer großen Karte umher wedelte. „Es ist alles hier drauf, genau wie auf meiner Karte, kein Zweifel. Und sie haben auch genau eingezeichnet, wie weit sie die unterirdischen Gänge schon freigelegt haben. Das ist geradezu phantastisch.“ Von Pocas Rufen angelockt kam auch Perkles zu ihnen und warf einen prüfenden Blick auf die Karte. „Wir sind umgeben von Leichen und werden möglicherweise schon jetzt von denen beobachtet, die dieses Massaker angerichtet haben. Ich denke nicht, dass phantastisch das richtige Wort dafür ist.“ Mit säuerlichem Gesichtsausdruck nahm Poca die bissige Bemerkung des Kriegers hin, doch die Warnung zur Vorsicht schien an ihm abzuprallen. „Dafür haben wir doch dich als großen und starken Krieger dabei, Perkles. Wir sollten so schnell wie möglich in die Katakomben, die hier eingezeichnet sind, bevor die Trionen mit Verstärkung zurück kommen. Seht hier, sie haben ohne klaren Plan gegraben und die Gänge so freigelegt, wie sie auf sie gestoßen sind. Auf meiner Karte aber ist der exakte Weg eingezeichnet bis zu dem Punkt, wo der Schatz liegen muss. Wir wissen also, in welcher der unterirdischen Hallen wir suchen müssen.“
Pocas Aufregung war deutlich zu spüren, während er ihnen zeigte, was er beim Abgleich der Karten gefunden hatte. Und auch Kira konnte sich dem aufregenden Gefühl nicht verschließen, nah an einer großen Entdeckung zu sein. Lediglich Perkles sah noch immer mitdüsterem Gesichtsausdruck auf die Karten und schien unschlüssig zu sein. „In Phrygia könnte ich Unterstützung erhalten, Freunde von mir sind unterwegs dorthin. Wenn wir jetzt allein dort hinunter klettern, gehen wir möglicherweise in eine Todesfalle.“ Nachdenklich biss sich Kira auf ihre Lippe, während sie über Perkles Worte nachdachte.
Der Krieger und Poca hatten beide recht. Jetzt blind in unbekannte unterirdische Tunnelsysteme zu laufen, die mit Leichen gepflastert waren, schien nicht besonders clever. Wenn sie aber zu lange warteten oder Verstärkung in Phrygia holten, war es vielleicht schon zu spät und jemand anderes könnte das Buch vor ihnen finden. Für einen Moment fragte sie sich, was für Männer wohl die Freunde des seltsamen Kriegers seien. Er wirkte nicht im Mindesten gesellig und die Vorstellung, dass der graue Mann in einer Taverne mit anderen Männern trank, brachte ungewollt ein Lächeln auf ihre Lippen. Der Mann war ein Meisterkämpfer, nur zu gut konnte sie sich noch daran erinnern, wie er sie mit spielerischer Leichtigkeit im Kampf geschlagen hatte, nachdem sie nach ihrer Flucht an der Küste aufgewacht war. Ein Mann mit derartigen Fähigkeiten hatte keine Freunde, er hatte Diener und Schüler. Schließlich realisierte Kira, dass Poca und Perkles sie beide ansahen. „ Wir sind zu dritt. Wenn wir nach Mehrheit entscheiden, liegt es wohl bei mir. “
Kira hatte kein Interesse daran, Perkles weiter zu stärken, indem er Schüler von sich zu Hilfe holte. Es würde auch so schon schwer genug werden, ihm das Buch wegzuschnappen, wenn sie es erst einmal gefunden hatten, noch weitere Helfer auf seiner Seite konnte sie nicht brauchen. „Wir gehen jetzt! Bevor die Trionen zurück kommen.“ Um ihre Worte zu untermauern, ging sie zu einem der toten Soldaten und nahm den Speer, der noch neben seinem enthaupteten Körper lag. Miteinem schnellen harten Schlag zerteilte sie den langen Schaft des Speers und nahm die längere hölzerne Hälfte mit sich.
Nach kurzem Zögern nickte Perkles schließlich und zog mit grimmigem Gesichtsausdruck sein langes Schwert. Es war das erste Mal, dass Kira und Poca einen Blick auf die Waffe werfen konnten und der Anblick raubte ihnen augenblicklich den Atem. Während die Schwertscheide, in der die lange zweihändige Waffe gesteckt hatte, unauffällig und grau wirkte, war der Zweihänder selbst die außergewöhnlichste Waffe, die Kira je gesehen hatte. Es schien, als würden alle Farben des Regenbogens auf der weiß leuchtenden langen Klinge reflektieren und den Träger der Waffe in einen bunten Lichtbogen baden. „ Eine Waffe aus der Zeit der Legenden, unglaublich. Wer ist er nur? “ Ohne seinen grimmigen Gesichtsausdruck zu ändern, ging Perkles zum Eingang in das unterirdische Tunnelsystem. „Nehmt die Karten mit und bleibt dicht hinter mir. Keine Heldentaten.“
Minuten später gingen sie zusammen durch die von Fackeln beleuchteten Gänge der unterirdischen Katakomben.
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