Der vergessene Mond Bd II - Zeit des Erwachens (German Edition)
Herms Unbehagen stieg weiter, er hatte inzwischen gelernt, dass Tyr und sein kleiner Jagdklan dem großen Klan der Ygmaren angehörte, der von Teschokk, Tyrs älterem Bruder geführt wurde. Sollte Teschokk nach ihm rufen, hätte Tyr keine Wahl und würde dem Ruf umgehend folgen müssen. In dem Fall müssten Herm und Kira alleine zu Marla weiter ziehen, ein Gedanke, dem Herm nur mit größter Sorge folgte.
Schließlich erreichte er Tyrs Zelt und bat um die Erlaubnis, eintreten zu dürfen, mit ruhiger Stimme gewährte ihm der Klanführer Einlass. Als Herm die Felle am Eingang des Zeltes zur Seite hob und Tyrs Quartier betrat, kam ihm eine angenehme Wärme entgegen. In den vergangenen Wochen hatte er seine Jagdausflüge mit den Valkallischen Kriegern dazu genutzt, Felle von Bären und Wölfen zu sammeln, aus denen er dann warme Kleidung für sich und Kira hergestellt hatte. Er war nicht so geschickt wie Penila oder Persia, deren außerordentliches Talent bei der Herstellung von Fellumhängen ihn ein wenig neidisch machte, aber dennoch hatten sowohl seine fellbedeckten Lederschuhe wie auch die Pelzmütze in Kira einen dankbaren Abnehmer gefunden.
Das Feuer in der Mitte von Tyrs Zelt brannte stärker wie sonst, wenn Herm den Klanführer besuchte und so legte er Mütze und Mantel ab, nachdem er den großen Krieger mit gebührendem Respekt begrüßt hatte. „Wyrmtöter, das ist Karmain, mein jüngster Bruder. Teschokk schickt ihn mit einer Nachricht zu mir.“ Der Bote, den Tyr gerade als seinen Bruder vorgestellt hatte, grüßte Herm kurz mit einem freundlichen Nicken und starrte dann wieder in das prasselnde Feuer, während er einen tiefen Zug aus seinem Trinkhorn nahm. Hermkonnte augenblicklich die gedrückte Stimmung spüren, was auch immer passiert war, es war sicherlich nichts Gutes.
Nur mühsam konnte er den Impuls unterdrücken, Tyr nach der Nachricht zu fragen. Stattdessen nahm er das Trinkhorn aus seinem Gürtel, das er selbst aus einem erlegten Eisbullenhorn gemacht hatte und ließ sich von Tyr Eiswein einschenken. Früher, in seiner Heimat, hatte er am liebsten dunkles Bier getrunken, aber das war in einem anderen Leben. Er war nun nicht mehr in Pendrak, seiner Heimat, nicht einmal mehr in Kaldarra, seinem Heimatland. Stattdessen zog er nun schon seit Wochen durch die Eiswüsten Valkalls und trank Eiswein.
Schließlich unterbrach Tyr die bedrückende Stille. „Die Klanlords versammeln sich bei den heiligen Steinen. Dort werden wichtige Dinge beraten, Dinge die über Leben und Tod vieler Männer und Frauen entscheiden werden.“ Für einen Moment atmete Herm innerlich auf. Wenn die Klanlords sich am selben Ort versammelten wie auch die Runenleser, dann würde er doch mit Tyr zusammen weiter reisen können. Dennoch konnte er sich nicht wirklich entspannen, zu besorgt erschien ihm die Stimme des Klanführers. „Mein Bruder Teschokk ruft alle Führer unseres Klans zur Versammlung, um Stärke zu zeigen, aber so wie es aussieht ist die Zeit des Friedens vorbei. Es gibt Berichte, dass die Tomaren sich für den Krieg rüsten, möglicherweise müssen wir unsere Äxte schon bald für andere Dinge wie die Jagd nutzen.“
Still hörte Herm den Ausführungen Tyrs zu und versuchte die Auswirkungen abzuschätzen. Er hatte inzwischen viel über die Kultur Valkalls gelernt, so gab es elf Klans, die sich meist gegenseitig in kleineren Fehden und Streitigkeiten bekriegten, selten nur gab es großeKriege zwischen ihnen. Im Falle eines Angriffs von außen wählten die Klans einen Anführer, der für die Dauer des Krieges die totale Macht hatte. Als die Tzarina vor drei Jahren einen der Klans überfallen hatte, wurde Teschokk zum Kriegsherrn gewählt, der die Klans nach Kaldarra führte, bis er schließlich vor der Hauptstadt geschlagen wurde. Herm hatte Tyr schon oft nach seiner Version der Schlacht fragen wollen, aber eine innere Stimme hatte ihn davon abgehalten und jetzt schien es auch nicht die richtige Zeit dafür zu sein.
Wenn ein Krieg zwischen den Klans anstand, hatte Herm nicht viel zu befürchten. Es war Gesetz, dass sich die Runenleser aus internen Streitereien heraushielten, solche Kriege wurden nur mit traditionellen Waffen geführt, ohne Magie. Nur bei einer Bedrohung von außen würden die Runenleser sich in die Reihen der Krieger stellen und mit ihnen gegen einen gemeinsamen Feind kämpfen. Falls er sich Marla also als Magier zu erkennen geben würde, bestand keine Gefahr, dass man ihn in einen Klankrieg
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