Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
Kardinal Colonna Verrat an unserer Familie.
»Wenn du meine Hilfe brauchst, dann häng einen Zettel an die ›sprechende Statue‹ an der Piazza Navona!«, murmelte er schließlich. »Meine Gefolgsleute werden ihn finden und zu mir bringen.«
Ich nickte.
»Ich muss jetzt gehen.«
»Viel Glück, Prospero!«
»Das wünsche ich dir auch von Herzen! Leb wohl, Sandra!«
Dann ließ er mich los, verschränkte seine Arme in den weiten Ärmeln seines Dominikanerhabits und verneigte sich vor mir.
»Danke für Euren Trost, Frater!«, murmelte ich so laut, dass Cesarini und Scarampo mich hören mussten.
»Benedicat tibi Dominus et custodiat te - der Herr segne dich und behüte dich! Der Herr schenke dir Frieden«, antwortete er mit einem Segensspruch und huschte mit gesenktem Kopf zurück in die Reihen der Trauernden am Rand der Via Larga. Ich sah ihm nach, bis er in der Menge verschwunden war.
Giovanni Vitelleschi als Papst!, dachte ich mit Grausen und tauchte die Feder ins Tintenfass. Der Kardinal des Teufels als Stellvertreter Christi! Gott sei uns allen gnädig!
Schwungvoll setzte ich die höfliche Grußformel an den Dogen von Venedig unter mein Schreiben und signierte es.
Die Serenissima war der einzige Staat des christlichen Abendlandes, wo der Papst keine Macht besaß und wo es keine von Rom kontrollierte Inquisition gab. In Venedig würde ich sicher sein. Vor eineinhalb Jahren hatte ich den Spätsommer in der Lagunenstadt verbracht und die Dachböden des Dogenpalastes, die Kammern von San Marco und die Bibliotheken der Palazzi am Canal Grande nach der Büchersammlung des Dichters Petrarca durchsucht. Vergeblich! Der kostbare Bücherschatz blieb verschwunden.
In den Wochen meines Aufenthaltes in der Serenissima hatte mich der Doge einige Male in den Palazzo Ducale eingeladen. Als Sohn eines Verbannten wusste er ebenso gut wie ich, was es bedeutete, im Exil zu leben. Beide hatten wir gelernt, zu kämpfen. Für die Unabhängigkeit. Und für die Freiheit. Ich war zuversichtlich, dass der Doge mich mit offenen Armen empfangen würde, sollte ich mich entschließen, ins venezianische Exil zu gehen.
Ich steckte die Feder ins Tintenfass, rieb mir mit einem Tuch die Tinte von den Fingern und lehnte mich zurück.
Francesco Foscari würde mir helfen, einen Palazzo am Canal Grande zu finden, wo ich meine Bibliothek und das Scriptorium einrichten konnte. Nur schweren Herzens würde ich Florenz verlassen. Und Cosimo! Ich erwartete ihn zum Abendessen und zu einem langen Gespräch vor dem Kamin - ich musste ihm von Pieros Verdacht einer gemeinsamen Nacht in Cosimos Bett berichten. Aber sollte ich ihm auch von diesem Brief erzählen?
In Gedanken versunken faltete ich mein Schreiben an den Dogen, erhitzte das Siegelwachs in der Flamme der Kerze und ließ die heißen Tropfen auf das Pergament rinnen. Dann drückte ich meinen Siegelring in das Wachs. Ich dachte an das Treffen mit Prospero. An Lucas feierliche Beisetzung um Mitternacht in San Marco und Niketas' zärtliche Umarmung, die ich so sehr genossen hatte. In seinen Armen hatte ich mich geborgen gefühlt. Beschützt. Geliebt.
Es fiel mir schwer, mir meine Gefühle für Niketas einzugestehen. Er war ein Priester, eine unberührbare Ikone! Doch ich sehnte mich nach ihm, nach seinem stillen Lächeln, seinen zärtlichen Berührungen, seinen Küssen. Er war der Geliebte, den ich mir immer ...
Es klopfte.
Niketas ist gekommen!, freute ich mich. Er wollte heute kommen, um das Evangelium zu sehen, das ihm so viel bedeutete.
Vor zwei Tagen, als er mit dem Papst sprach, hatte ich die vierzehn zerbrochenen Fragmente des Evangeliums zusammengefügt, vier neue Logien gefunden und dabei eine sensationelle Entdeckung gemacht:
Der vergessene Papst!
Ein tragischer Held, der als Märtyrer starb - von den Evangelisten verleugnet und vergessen. Ich konnte es kaum erwarten, Niketas von ihm zu erzählen!
Vittorino öffnete die Tür. »Bitte verzeiht. Caedmon of Canterbury bittet, empfangen zu werden.«
Enttäuscht zögerte ich einen Augenblick, dann bat ich Vittorino, den Benediktiner in das Arbeitszimmer meines Vaters zu führen.
Caedmon sprang auf, als ich Lucas Arbeitszimmer betrat. »Laudetur Jesus Christus!«
»In aeternum. Amen.«
»Mylady!«, begrüßte er mich mit einer Verbeugung. »Ich danke Euch, dass Ihr mich empfangt!«
»Bitte setzt Euch!«, forderte ich ihn auf und nahm hinter dem Schreibtisch Platz. »Als wir uns vor einigen Tagen auf der Piazza del Duomo trafen,
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