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Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Abt der Grabeskirche als Beobachter zum Konzil entsandt. Erst vor wenigen Tagen kam Gebre Christos mit seinem Gefolge nach Ferrara. Stellt Euch vor, Bruder Niketas: Wenn wir die Union zustande bringen, werden sich uns vielleicht die äthiopische, die syrische, die armenische und die koptische Kirche anschließen! Welch eine großartige Vision: Die gesamte Christenheit vereint in einem Glauben!«

    »Jesus heißt auf Hebräisch ›Gott errettet‹.« Es war Nachmittag. Nach dem Empfang für Isidor waren Natanael und ich in den Palazzo Albizzi zurückgekehrt.
    »Und das hebräische Wort Jeschua bedeutet: die Erlösung«, erwiderte Alessandra, die angespannt auf dem Sessel hinter ihrem Schreibtisch saß. Aufgewühlt spielte sie mit einer Schreibfeder und zerknickte sie fast.
    Was war geschehen? War Cesarini schuld an ihrer Unruhe? Oder hatte das lange Gespräch mit Cosimo gestern Abend sie so aufgewühlt? Und wieder fragte ich mich: Was empfanden Alessandra und Cosimo füreinander - enge Freundschaft? Oder Liebe?
    »In deinem Buch hast du Paulus als Begründer des Christentums, dem Kult des Gottessohnes Jesus Christus, bezeichnet. Und als Erfinder der Erlösungstheologie.«
    Ich lehnte mich auf meinem Sitz zurück und nickte.
    »Und was glaubte Jakobus?«, fragte Alessandra. »Er kannte seinen Bruder besser als alle anderen.«
    Natanael, der in Ibn Shapruts Prüfstein geblättert hatte, schloss das Buch. »Für Jakobus war Jesus ein von Gott berufener Mensch. Der von Moses verkündete Prophet. Ein Heiliger und Gerechter. Ein gesalbter König Israels. Kein Gottessohn!
    Weder Jesus noch sein Bruder Jakobus begründeten einen neuen Glauben oder gar die Kirche als Priesterherrschaft. Die Nazoräer waren orthodoxe Juden, die den Pharisäern nahestanden. Sie nannten sich ›Wahrer des Bundes‹ - gemeint ist der Bund mit Gott. Sie achteten die Gebote der Tora, aßen koscher, hielten den Sabbat, ließen ihre Söhne beschneiden, schlachteten an Pessach ihr Opferlamm und büßten an Jörn Kippur ihre Sünden.
    Sie glaubten, dass Jesus der von Gott gesandte Messias war. Der gesalbte König, der Israel von der römischen Knechtschaft befreit, die Römer besiegt und aus dem Heiligen Land vertreibt. Der König einer heiligen Nation, die am Ende aller Tage den anderen Völkern durch Beachtung des Gottesgesetzes der Tora ein leuchtendes Vorbild sein sollte. Im messianischen Zeitalter, das nach Ansicht von Jesus und Jakobus unmittelbar bevorstand, würden die Heiden von den Juden das Gottesgesetz übernehmen.«
    Natanael grinste verschmitzt.
    »Wir Juden glauben, dass Jesus ein Messias war, ein gesalbter König, aber eben nicht der Messias. Denn er starb am römischen Kreuz, bevor er seine Aufgabe als gottgesandter König erfüllen konnte. Andererseits hat der Glaube an Jesus Christus die heidnischen Völker zum Glauben Jesu Christi an den jüdischen Gott gebracht, und an das Gesetz der Tora, die zehn Gebote und die Bergpredigt. Ist er nun gescheitert oder nicht?«
    »Natanael hat Recht«, nahm ich den Faden auf. »Damals erweckte die messianische Sekte der Nazoräer die Hoffnungen vieler Heiden, die sich zum Judentum bekehrten. Doch durfte ein Heide den nazoräischen Glauben leben und auf die Wiederkehr des Messias hoffen, ohne sich dem Ritual der Beschneidung zu unterwerfen? Sprich: Jude zu werden, ohne dem Gottesbund beizutreten, ohne das Gesetz der Tora zu achten? Jakobus, dem strenggläubigen ›Wahrer des Bundes‹, schien dies unmöglich - Paulus, dem Juden aus der römisch-hellenistischen Diaspora, jedoch nicht. Und daraus entstand das allererste Schisma der Christenheit. Die Trennung in nazoräische Juden unter der Führung von Jakobus und Heiden, die von Paulus in seinem Glauben unterwiesen wurden: zwischen Judenchristen und Heidenchristen.«
    »Und in der Frage der Einhaltung des jüdischen Gesetzes gerieten Petrus und Paulus so erbittert aneinander, dass Jakobus zwischen den beiden vermitteln musste«, ergänzte Natanael.
    »Was war geschehen?«, fragte Alessandra bestürzt.
    »Nach einem Aufruhr in der Gemeinde von Antiochia, wo Paulus die jüdischen Apostel beschimpfte und sein ›anderes Evangelium‹ verkündete, das Gott selbst ihm offenbart habe, zitierte Jakobus ihn nach Jerusalem, damit er sich rechtfertigte. Bei diesem Treffen, dem sogenannten Apostelkonzil von Jerusalem, das Ende der vierziger Jahre stattfand, unterwarf sich Paulus, wie er selbst im Galaterbrief schrieb, ›auch nicht für eine Stund‹. Es ging

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