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Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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um die Frage, ob Heiden, die sich zu Jesus bekennen wollten, zum Judentum konvertieren mussten.
    Alessandra, stell dir Paulus' Auftritt vor Jakobus vor! Paulus verkündet, Gott selbst habe ihm in einer gnostischen Vision Seinen Sohn Jesus Christus offenbart, damit er das Evangelium den Heiden bringe. Und er bekundet, sein Evangelium nicht von Petrus erhalten zu haben, den er nach seinem dreijährigen Wüstenaufenthalt in Jerusalem besucht hatte, sondern von Gott.
    Mit dieser infamen Behauptung stellt er sich über alle anderen Apostel - und über Jakobus und Simon, Judas und Joseph, die Brüder, die Jesus nach Jerusalem begleitet und unter dem Kreuz um ihren Bruder geweint hatten.«
    Alessandra nickte nachdenklich. »Wie sehr mussten Jesu Brüder Paulus verachten!«, spann sie den Faden weiter. »In ihren Augen war er ein Häretiker, der zudem aller Welt verkündete, Jakobus als Führer der Nazoräer keine Rechenschaft schuldig zu sein. Die Vorwürfe der Brüder gegen Paulus sind aus seinen eigenen Briefen ersichtlich: Er predige ein anderes Evangelium, verdrehe das Wort Gottes und maße sich zu Unrecht das Apostelamt an. Wie oft beteuert Paulus in seinen Episteln, er lüge nicht. Und wie oft schleudert er den Führern in Jerusalem seine Beleidigungen entgegen und nennt sie ›Lügenapostel‹ und ›Satansdiener‹.«
    »So ist es«, nickte Natanael. »Doch Jakobus ließ sich nicht beirren. Obwohl er Paulus' Mission missbilligte, wollte er die Einheit der Nazoräer aufrechterhalten und war während des Apostelkonzils bereit, dafür Opfer zu bringen. Ohne Jakobus' Zustimmung zur Heidenmission, die er Paulus nur schweren Herzens gegeben hatte, wäre es nie zu jener Übereinkunft gekommen.
    Jakobus hätte auf der strikten Einhaltung der Gebote und der Beschneidung der Heiden bestehen können, denn die judenchristliche Gemeinde in Jerusalem war auf die neu konvertierten Heidenchristen nicht angewiesen. Ganz im Gegenteil: Die Heidenchristen, die sich nicht an alle Gebote der Tora hielten, brachten ihn selbst und seine »Wahrer des Bundes‹ in den Verdacht der Häresie - was dann Jahrzehnte später zur Trennung von Judentum und Christentum führte, zum Ausschluss aus den Synagogen und zu den Bannflüchen der Rabbinen.
    Jakobus reichte Paulus die Hand zum Bund, da er, der Führer der ›Christenheit‹ in aller Welt, den Frieden nicht gefährden wollte. Und so endete jenes Konzil von Jerusalem mit dem ersten Schisma: Petrus missionierte die Juden und Paulus die Heiden, die sich, Jakobus' Dekret gehorchend, nur einem Teil der jüdischen Speisegebote unterwerfen mussten. In Antiochia kam es dann erneut zum Streit zwischen Judenchristen und Heidenchristen und damit zum endgültigen Zerwürfnis zwischen Petrus und Paulus.«
    »So viel zu den beiden Aposteln, die angeblich die Fackel des Glaubens ins heidnische Rom trugen und dort Seite an Seite als Märtyrer starben«, merkte Alessandra zynisch an.
    Natanael nickte. »Eine schöne Legende. Nur leider nicht wahr.«
    Alessandra sah meinem Bruder fest in die Augen. »Du bist sehr vertraut mit der Geschichte des Frühchristentums.«
    »Ja.«
    »Wieso?«, setzte sie nach. »Wie kommst du als gläubiger Jude dazu, dich damit zu beschäftigen?«
    »Meine Vorfahren gehörten zu jener Dynastie, die Jesus gegründet hatte, einer Dynastie von jüdischen Päpsten, die Jakobus als Führer der Nazoräer nachfolgten.«
    Ungläubig starrte sie ihn an.
    Natanael erhob sich, ergriff Eusebius' Kirchengeschichte, schlug den Folianten auf und reichte ihn Alessandra. »Lies!«
    »Auf Befehl des Kaisers Domitian, die Nachkommen Davids hinzurichten, sollen einem alten Bericht zufolge einige Häretiker die Nachkommen des Judas, eines leiblichen Bruders unseres Erlösers, angezeigt haben: Sie entstammten dem Geschlecht Davids und seien mit Christus selbst verwandt.« Sie blickte auf. »Kaiser Domitian war der Bruder und Nachfolger von Titus, der den Tempel von Jerusalem zerstörte. Er gab den Befehl, die Blutlinie Davids auszulöschen?«
    Ihr Finger glitt am Seitenrand entlang, während sie nun die nächsten Zeilen überflog.
    »Domitian befragte die beiden Enkel über die Wiederkehr des Christus, ließ sie dann frei und befahl, die Verfolgung der Kirche einzustellen«, fasste sie zusammen. »Eusebius schreibt weiter: ›Da sie Verwandte des Herrn waren, erhielten sie nach der Freilassung führende Stellungen in der Kirche.‹«
    »Es gibt andere Quellen, die Sacharja und Jakob, so hießen die beiden,

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