Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
lass das Tor öffnen!«, befahl ich Tayeb.
Dann hetzte ich dem fliehenden Dominikaner nach, erwischte seinen Habit und versuchte ihn erneut in die Tiefe zu stoßen. Doch er trat nach mir und traf mich schmerzhaft ins Gesicht. Ich ließ von ihm ab und hielt mich mit beiden Händen an der Palastfassade fest. Blut rann über meine Wange.
Ich sah zu ihm hoch: Als er den Kopf zurückwarf, um sich auf das Dach zu ziehen, glitt die Kapuze von seinem Haar. Doch sein Gesicht lag im Schatten.
Dann war er verschwunden.
Kurz entschlossen steckte ich den Dolch ein und kletterte ihm nach. Heiß brannte der Zorn in mir - die eisige Kälte der Nacht spürte ich nicht.
Als ich auf Knien über die vereisten Dachziegel rutschte und aufsprang, war Lucas Mörder vier, fünf, sechs Schritte entfernt. Er rannte über das Dach in Richtung des alten Geschlechterturms. Ich stolperte ihm hinterher. Das Dach meines Palazzos war leicht geneigt, und die Dachziegel waren rutschig. Daher glitt ich mehrmals aus, als ich dem Mönch zum Wehrturm folgte.
Wo, zum Teufel, war er?
Im hellen Mondlicht sah ich ihn: Über eine schmale Gasse hinweg war er auf das tiefer gelegene Dach des benachbarten Hauses gesprungen und hastete nun in Richtung Süden.
Entschlossen setzte ich ihm nach, blickte hinab in den finsteren Abgrund der Gasse, nahm Anlauf und sprang über den Durchgang zwischen den Palazzi. Ich rollte über die Schulter ab, rappelte mich auf und folgte dem fliehenden Dominikaner.
Als ich meinen Blick über die mondbeschienenen Dächer von Florenz schweifen ließ, hechtete der Mönch bereits über die nächste Gasse und ließ sich beim schmerzhaften Aufprall auf den Ziegeln über die Schulter abrollen. War er wie ich in der Kampfkunst unterwiesen?
Er floh über die Dächer nach Osten. Dann glitt er aus und schlug der Länge nach hin.
Ich holte auf. Drei, vier, fünf Schritte, dann war ich bei ihm.
Bevor er aufspringen konnte, warf ich mich mit blitzender Klinge auf ihn. Er ächzte unter dem Aufprall, trat nach mir und wand sich keuchend unter mir heraus. Weiße Atemwolken hüllten ihn ein.
Mein Dolch verfehlte ihn um Haaresbreite.
Mit einer Hand zog er den schwarzen Stoff seiner Kapuze vor Mund und Nase und hüllte sich in tiefe Schatten. Er wollte verhindern, dass ich im hellen Mondlicht sein Gesicht sah.
Fürchtete er, ich würde ihn erkennen?
Zum Teufel: Wer war er?
Er rappelte sich auf, raffte die Falten seines Habits und floh keuchend weiter in Richtung des Palazzo Salviati. Die Häuser standen dicht beieinander, und so war es nicht schwierig, von einem Dach zum nächsten zu gelangen, obwohl sie unterschiedlich hoch waren. Über schmale Durchgänge hinweg stützten steinerne Brücken die Palazzi gegeneinander ab.
Ich verfolgte den Mönch über das verschneite Dach des Palazzo Salviati bis zur Via del Proconsolo, neben der wir nun wieder nach Norden stürmten. Vor mir ragte die Kathedrale in den Nachthimmel.
»Alessandra!«
Das war Alexios' Stimme! Aus dem Augenwinkel sah ich ihn: Im Nachtgewand stand er mit Tito unten auf der von Fackeln beleuchteten Straße und starrte hilflos zu mir empor. In seiner Hand blitzte die Klinge seines Schwertes.
»Wo ist Floriano?«, rief ich hinunter.
»Er wollte uns folgen, aber ich habe ihn zurückgeschickt. Er bewacht das Portal.«
»Und Caedmon?«
»Ich habe ihn nicht gesehen! Tayeb hat an seine Tür gehämmert, um ihn zu wecken. Dann ist er sofort wieder hinaufgestürmt. Vielleicht ist Caedmon auf der anderen Seite.«
Mit dem Handrücken wischte ich mir das Blut von der Wange und blickte wieder nach vorn.
Warum war der Dominikaner nun plötzlich stehen geblieben?
Wohin wollte er?
Dann sah ich es: Eine steinerne Brücke verband zwei Paläste mit hohen Geschlechtertürmen auf beiden Seiten der Straße. Der Übergang war keine drei Hand breit. Er diente der Verteidigung der Palazzi.
Der Assassino kauerte sich auf den Rand des Daches und glitt hinunter auf die vereiste Brücke. Auf allen vieren kroch er über den Abgrund auf die andere Straßenseite.
Dass ich Lucas Mörder so nah war und er mir dennoch zu entkommen drohte, machte mich rasend vor Zorn und blind für die Gefahr.
Gerade als ich dem Dominikaner folgen wollte, wurde ich an der Schulter gepackt und mit Gewalt zurückgerissen. Ich hob den Dolch, um mich gegen den vermeintlichen Angreifer hinter mir zu wehren. Er wich zur Seite, umschloss mit eisernem Griff meine Faust mit der Klinge und drückte sie nach unten, damit ich
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