Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
schreibt an den lateinischen Patriarchen und bittet ihn, ihm das Evangelium zurückzugeben«, vermutete Tayeb.
»Und Giovanni Vitelleschi schickt seinen Assassino, der Luca ermordet hatte, erneut nach Florenz, um das Evangelium nach Rom zu bringen. Aber der Dominikaner weiß nicht, dass es aus Papyrusfetzen besteht, und sucht vergeblich nach einem Buch. Einem antiken Codex.«
»Was wird Philotheos nun tun?«
»Er könnte einen seiner Schergen nach Italien schicken, um das Evangelium zu suchen. Oder er könnte an den Patriarchen von Konstantinopolis schreiben, um ihn zu warnen. Patriarch Joseph würde sich an Kaiser Ioannis wenden. Er ist das Oberhaupt der orthodoxen Kirche. Wir haben die Papyri in Alexandria gefunden. Es ist denkbar, dass der Kaiser sein Evangelium zurückhaben will.«
»Das bedeutet: Wir können niemandem mehr trauen.«
»Nein.«
»Auch Niketas und Natanael nicht?« Stumm schüttelte ich den Kopf.
»Willst du dem Papst weiterhin dein Vertrauen schenken?«
»Das entscheide ich nicht jetzt.«
»Die vier Logien, die wir aus der einstürzenden Genisa gerettet haben, kennt er noch nicht.«
»Ich habe nicht vor, sie ihm heute Nacht zu zeigen.«
»Hast du die Rosenholzkassette wieder unter deinem Bett versteckt?« Als ich nickte, murmelte er: »Ich sehe lieber mal nach, ob sie noch da ist!«
Ich gab ihm den Schlüssel, den ich am Band um den Hals trug. Er öffnete die Tür und verschwand in meinem Schlafzimmer. Schritte auf der Treppe.
Schwer atmend trat Caedmon ein. Er trug seinen Benediktinerhabit und hinkte leicht. »Er ist mir entwischt!« Erschöpft lehnte er sich gegen den Türrahmen. »Ich bin ihm nachgelaufen und hatte ihn beinahe eingeholt, aber dann bin ich ausgeglitten und gestürzt. Da ist er mir entkommen! Bitte verzeiht mir, Mylady! Um Gottes willen, Ihr blutet ja!«
»Ist nicht schlimm«, beruhigte ich ihn und ging zu ihm hinüber. »Was ist mit Eurem Bein? Habt Ihr Schmerzen?«
»Nein, Mylady, es geht schon.«
»Ihr seid verletzt. Soll ich mir die Wunde denn nicht ansehen?« Er wich vor mir zurück und raffte hastig den schwarzen Stoff seines Habits um sich. »Nein, bitte nicht!«
Fürchtete er die intime Berührung? Ich entsann mich seiner Vergewaltigung durch Vitelleschi und ließ ihn in Ruhe. »Geht schlafen, Caedmon. Wir reden morgen.«
»Ja, Mylady!«, murmelte er scheu, wandte sich um und schlich die Treppe hinunter zu seiner Kammer.
Nachdenklich sah ich ihm nach.
Sobald er verschwunden war, ging ich in mein Schlafzimmer.
Tayeb kniete vor meinem Bett und öffnete die Rosenholzkassette. »Die Fragmente sind noch da.« Dann blickte er auf. »Wir sollten sie so schnell wie möglich außerhalb des Palazzos verstecken.«
»Nach dem Abendessen bei Kardinal Cesarini verstecken wir die Papyri.«
»Und wo?«
Nachdem ich mich für das Abendessen bei Giuliano Cesarini angekleidet hatte, nahm ich das Geschenk, das Caedmon in Brokatstoff eingeschlagen hatte, und ging hinunter zum Scriptorium, um Tayeb zu suchen.
Meine achtzig Angestellten waren an diesem Morgen in mein Haus zurückgekehrt und hatten wie an jedem Tag ihre Arbeit aufgenommen: Vittorino, der Leiter der Kopierwerkstatt, Leonardo dAssisi, der Franziskanermönch, der mit Luca befreundet gewesen war, Nicolas, Orlando, Gian Luca und all die anderen Kopisten, Buchmaler und Übersetzer.
Obwohl es schon fast dunkel war, wurde im Scriptorium noch eifrig bei Kerzenschein kopiert. Das Konzil sollte in drei Wochen beginnen, und meine Scriptoren hatten die unbändige Gier der Gelehrten nach immer mehr Büchern zu stillen.
Ich verließ die Kopierwerkstatt und warf einen Blick in die Bibliothek, in der sich die gebildeten Florentiner drängten. Es roch nach alten Folianten, Tinte und heißem Glühwein.
Da ich Tayeb nicht finden konnte, ging ich hinunter in den Hof, wo mich Tito mit zwei gesattelten Pferden erwartete.
»Ist Tayeb schon zurückgekehrt?« Ich hatte ihn gebeten, den auserwählten Hüter des Evangeliums aufzusuchen und ins Vertrauen zu ziehen. Die Tasche mit dem Werkzeug hatte er mitgenommen. Heute Nacht wollten wir die Papyrusfragmente verstecken.
Tito zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich habe ihn nicht gesehen.«
Er half mir in den Sattel, bevor er das Geschenk in seine Satteltasche schob und sich auf sein Pferd schwang. Durch das Portal ritten wir hinaus auf die von Fackeln beleuchtete Piazza, wandten uns nach Osten und umrundeten die Kathedrale.
Während wir der Straße zur Kirche Santissima
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