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Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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dem Diakon zur Sakristei, um den priesterlichen Ornat abzulegen.
    Als ich die Kammer betrat, lehnte Natanael mit verschränkten Atmen an einer der Truhen.
    Mein Bruder trug einen langen schwarzen Gelehrtentalar, auf dem der in Italien vorgeschriebene gelbe Judenkreis aufgestickt war. Ich hatte versucht, beim Bischof von Ferrara eine Ausnahmegenehmigung zu erwirken, um Natanael diese Demütigung zu ersparen, aber der hatte mich kalt lächelnd auf die Beschlüsse des Laterankonzils von 1215 verwiesen, das die Juden zum von Gott verworfenen Volk erklärte. Seine Selbstgerechtigkeit und sein Hochmut hatten mich erzürnt. Natanael war tief verletzt, doch er hatte mich davon abgehalten, den Papst um einen Dispens zu bitten.
    Schweigend beobachtete er, wie ich die schwere Krone vom Kopf hob und sie dem Diakon reichte. Dann fuhr ich mir mit beiden Händen durch das schulterlange schwarze Haar und schloss für einen Moment die Augen.
    »Wie geht es dir?«, fragte er schließlich. Seit meinem Rückzug ins Kloster nach der letzten Konzilssitzung hatten wir uns nicht gesehen.
    Mit einem Wink entließ ich den Diakon. »Ich werde den Ornat selbst ablegen. Kali nichta - gute Nacht!«
    Er kniete nieder und küsste meine Hand. Bevor er die Sakristei verließ, warf er einen finsteren Blick auf den jüdischen Rabbi. In all den Wochen seit dem tragischen Tod meines Sekretärs Athenagoras hatte er sich nicht damit abfinden können, dass Natanael nun dessen Platz in meinem Gefolge einnahm. Leise schloss er die Tür hinter sich und ließ uns allein.
    »Es geht mir gut«, murmelte ich und nahm die Kette mit dem Panagia-Medaillon ab. »Die zehn Tage im Kloster waren sehr erholsam.«
    »Du bist so blass, Niketas. Und so schmal wie ein Asket«, sorgte sich Natanael. »Haben die Dominikaner dir nichts zu essen gegeben?«
    »Ich habe das vorweihnachtliche Fasten gehalten«, erinnerte ich meinen Freund, der auch mein Arzt war.
    »In deinem Zustand!«, ermahnte er mich ernst. »Niketas, du solltest alles vermeiden, was dich schwächt.«
    »Die Ruhe im Kloster hat mir gutgetan, Natanael. Ich hatte keinen neuen Anfall.« Ich zog das Omophorion von der Schulter und betrachtete es. Das mit Kreuzen bestickte Brokatband war das Abzeichen meines Ranges. Würde ich es je wieder anlegen?
    »Ich war heute Nachmittag im Konvent, um dir mitzuteilen, dass Cosimo de' Medici nach Ferrara gekommen ist«, begann Natanael. »Doch der Prior hat mich freundlich, aber bestimmt abgewiesen: Du hättest ausdrücklich befohlen, niemanden zu dir zu lassen. Selbst einen Boten des Basileus habe er eine halbe Stunde zuvor wegschicken müssen.«
    »Ich wollte nicht gestört werden. Das war doch gerade der Sinn meines Aufenthaltes im Dominikanerkloster.«
    »Und wie konnte der Patriarch dich dann bewegen, die Messe zu halten?«
    »Er kam zu mir in die Klosterzelle, um mit mir zu reden.«
    Mein Bruder beobachtete mich, wie ich gedankenverloren das bestickte Brokatband anstarrte. Er spürte meine Traurigkeit und schwieg eine Weile. Schließlich fragte er: »Du hast eine Entscheidung getroffen, nicht wahr?«
    Ich küsste das Omophorion und legte es sorgsam gefaltet auf die Truhe. Nie wieder würde ich es tragen.
    Natanael umarmte mich. »Es tut mir leid«, flüsterte er. »Es tut mir so unendlich leid, Niketas. Das war doch niemals meine Absicht!«
    »Das weiß ich.«
    »Ich fühle mich schuldig«, murmelte er an meiner Schulter. »Ich habe dein vollkommenes Leben zerstört. Du warst so glücklich als Mönch, als Priester, als Me...«
    »Natanael!«, unterbrach ich ihn sanft. »Gib nicht dir die Schuld! Es ist meine Entscheidung!«
    Er nickte stumm.
    »Vergib mir, Natanael. Ich weiß, wie enttäuscht du bist. Aber ich kann nicht gegen mein Gewissen handeln.«
    »Ist schon gut«, beteuerte er. »Hast du es dem Patriarchen gesagt?«
    »Ja, er weiß es.«
    »Was hat er geantwortet?«
    Ich atmete tief durch. »Wir kennen uns schon so viele Jahre. Er hat mich zum Priester geweiht. Er bedauerte meinen Entschluss. Aber ich habe ihm gesagt, dass ich nicht nur meinen Gelübden gehorchen muss, sondern vor allem meinem Gewissen.«

    »Ich bezweifle, dass der Kaiser das genauso sieht!«
    Basilios hatte die Sakristei betreten und schloss nun leise die Tür hinter sich. Seit unserem Noviziat im Basilianerkloster war ich eng mit Basilios Bessarion befreundet. Er war sechsunddreißig, ein Jahr älter als Natanael und ich. Der Metropolit von Nikaia trug die schwarze Soutane und die Schleierhaube,

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