Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
den Dominikanerhabit getragen hatte, immer einen Dolch bei sich hatte. Luca hatte mächtige Feinde. Aber dann dachte ich: Der Römer ist kein Priester der Inquisition. Das Papyrusfragment hat er sich nicht einmal angesehen, um zu beurteilen, ob es häretisch ist oder nicht. Er wollte mich gewiss nicht Patriarch Philotheos ausliefern. Der Römer war ein Assassino, der mich beseitigen sollte. Und welcher Ort war besser geeignet als eine vergessene Synagoge in der Wüste?
Tayeb und ich hatten keine Chance zu fliehen. Die Öffnung in der Lehmziegelmauer und die halb verschüttete Tür zum Gebetssaal waren viel zu eng, um hindurchzuhuschen und zu entkommen. Und dann mussten wir uns noch die steile Düne aus Flugsand hinaufkämpfen, um uns am Seil hochzuziehen. Nein, eine Flucht aus der Genisa war unmöglich.
»Wir werden mit Euch gehen. Dieses Missverständnis wird sich bestimmt rasch aufklären. Erst vor wenigen Tagen hat mich Patriarch Philotheos empfangen. Seine Seligkeit kennt mich. Gewiss wird er ...«
»Schweigt!«
Mit seiner Klinge wies der Römer auf die Öffnung der Genisa. »Wenn ich bitten darf, Alessandra d'Ascoli!«, befahl er barsch. »Oder soll ich Euch Alessandra Colonna nennen?« Sein Tonfall war höhnisch, verächtlich und hasserfüllt.
Daher weht der Wind?, dachte ich bestürzt. Aus Rom!
Großer Gott, wer war der Mann?
»Ganz wie es Euch beliebt, Signore!«, erwiderte ich. »Ich habe den Namen meiner Mutter nicht abgelegt, als ich den meines Vaters annahm.«
Mein Cousin, Kardinal Prospero Colonna, hatte meine Entscheidung vor acht Jahren mit einem ungläubigen Kopfschütteln hingenommen. Sein Onkel, der verstorbene Papst Martin, ein Cousin meiner Mutter, hätte wohl weniger zurückhaltend reagiert als Prospero und mich stolz und eigensinnig genannt - wie eine Colonna ...
Ich wartete die Antwort des Römers nicht ab, raffte mein Gewand und kroch aus der Kammer in den Gang.
Der dritte Bewaffnete half mir auf, packte mich am Arm und schob mich vor sich her. Im lockeren Sand ausrutschend, zwängte ich mich durch die aufgebrochene Tür und kletterte über die Düne aus Flugsand. Dann stand ich im Gebetssaal. Während ich auf den Bewaffneten mit der Fackel wartete, irrte mein Blick durch die Synagoge. Ich musste fliehen! Der Römer würde mich nicht lebendig in den Kerker des Patriarchen schleppen. Ich sollte ermordet werden!
Nur wenige Schritte entfernt lag das Seil, an dem Tayeb und ich in die Synagoge hinabgestiegen waren. Sollte ich es wagen?
Unauffällig wich ich einen Schritt zurück, während der Gefolgsmann des Patriarchen mit der Fackel auf die anderen wartete. Ich starrte hinauf zum Riss im Deckengewölbe. Nein, es war unmöglich! Die Flucht war ausgeschlossen. Sie hätten mich eingeholt, bevor ich ...
Mein Blick fiel auf das Portal der Synagoge. Als der Torflügel dem Druck des Sandes nicht mehr standhielt, hatte sich ein Teil der Düne, die es verschüttet hatte, in die Synagoge ergossen. Ich traute meinen Augen nicht: Ich konnte den Sternenhimmel sehen.
Ein Fluchtweg?
Der Römer schob sich durch die schmale Türöffnung.
Ich wich einen weiteren Schritt zurück in Richtung des Portals. Als er sich umdrehte, um Tayeb zu erwarten, wirbelte ich herum und stürmte zum Tor.
»Haltet sie!«, brüllte der Römer. »Sie darf nicht entkommen!«
Ich stolperte über den Saum meines Gewandes, schlug der Länge nach hin und stöhnte vor Schmerz. Etwas Hartes bohrte sich in meinen rechten Arm.
Einer der Stifte, mit denen die Scharniere befestigt gewesen waren! Meine Faust schloss sich um den rostigen Nagel. Dann sprang ich auf und hastete durch das offene Tor die Düne hinauf.
»Lauf, Alessandra!«, rief Tayeb. »Warte nicht auf mich!«
Erneut stürzte ich in den Sand, der unter mir wegglitt.
Der Römer war dicht hinter mir. Während ich noch versuchte, wieder auf die Beine zu kommen, warf er sich auf mich. Sein Gewicht drückte mich zu Boden. Mein Strampeln war sinnlos. Mit der rechten Hand hielt ich den Nagel umklammert. Mit der linken gelang es mir im letzten Augenblick, den Schleier vor Mund und Nase zu ziehen, bevor mein Gesicht mit brutaler Gewalt in den Sand gepresst wurde, um mich zu ersticken.
Der Stoff verhinderte, dass der feine Staub in Mund und Nase eindrang. Keuchend rang ich nach Atem, versuchte den Kopf zur Seite zu drehen, um nach Luft zu schnappen. Erneut wurde meine Stirn in den Staub gepresst.
Ich ergriff eine Handvoll Sand und warf ihn über meine Schulter. Fluchend
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