Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
Vom Netzwerk:
willen!«, stöhnte Natanael. Er gab sich die Schuld: Unsere Dispute hatten mich zu dieser Entscheidung getrieben.
    »... denn falls ich nicht mehr zur Kirche gehöre, dann ist mir als Mönch die Rückkehr in mein Kloster verwehrt. Dann habe ich alles verloren: den Glauben, die Geborgenheit und die Hoffnung auf inneren Frieden.«
    Basilios legte mir tröstend die Hand auf die Schulter. »Du arme, gepeinigte Seele! Wie gern würde ich deine Qualen lindern, Niketas! Aber nach all unseren endlosen Gesprächen, nach all deinen verzweifelten Beichten weiß ich nicht mehr weiter. Wie soll ich dir deine Zweifel nehmen? Ich kann dich nicht belehren: Dein Verstand, dein unstillbarer Wissensdurst, dein ständiges Zweifeln, deine Toleranz gegenüber dem jüdischen Glauben und deine ... bitte verzeih, wenn ich das so sage! ... deine jüdische Kindheit im Hause von Natanaels Vater haben dich in diese furchtbare Glaubenskrise gestürzt!
    Orthodoxe Theologie, jüdischer Glaube, platonische Philosophie, gnostische Mystik - nichts ist dir fremd. Jedes Buch dieser Welt hast du gelesen. Aber genau da liegt dein Problem begraben: unter einem Berg von Büchern. Du weißt zu viel, um noch glauben zu können. Doch bedenke: Das Wissen ist der Feind des Glaubens. Und die Gelehrsamkeit ist das Fundament des Zweifels.« Er seufzte. »Und so wird der brillanteste Gelehrte von Byzanz zum größten Häretiker.«
    »Verdamme mich nicht!«, beschwor ich ihn. »Seit dem letzten Ohnmachtsanfall sind die Streitfragen des Konzils für mich kein theologischer Disput mehr, keine Frage meines Gewissens, ob ich einen derartigen Verrat am orthodoxen Glauben verantworten kann - sie sind für mich existenziell geworden. Ich weiß nicht, ob ich noch Antworten auf diese Fragen finden kann, bevor Gott mich zu sich ruft. Steh mir bei, Basilios! Wenn nicht als Priester, so doch als mein bester Freund. Ich könnte es nicht ertragen, wenn du mich verlässt.«
    »Ich werde dich nicht verlassen«, versprach er mir. »Ich werde dir helfen, so gut ich kann. Und ich werde für dein Seelenheil beten, an das du nicht mehr glauben kannst.«
    »Würdest du mir beim Ablegen des priesterlichen Ornats helfen?«
    Er nickte stumm und nahm mir das Epigonation ab, das geistliche Schwerte ein mit der Ikone des Apostels Paulus besticktes steifes Tuch, das zu meiner Amtstracht gehörte. Nun half er mir aus dem goldverzierten Brokatmantel mit den weiten Ärmeln. Der Basileus hatte ihn mir anlässlich meiner Inthronisation umgelegt. Schließlich zog Basilios mir das Sticharion über den Kopf, das Untergewand orthodoxer Priester mit den aufgenähten Purpurstreifen, die die Wunden des Christus während der Passion symbolisieren sollten.
    Nachdem er mir in den schlichten schwarzen Basilianerhabit geholfen hatte, fühlte ich mich erleichtert, ja befreit - als legte ich mit den steifen Brokatgewändern auch eine schwere Last ab: die Stellvertretung Jesu Christi.
    »Wir reden morgen«, verabschiedete ich mich von meinem Bruder. »Der Kaiser erwartet mich - ich will ihm meine Entscheidung mitteilen.«
    Natanael wirkte besorgt. »Niketas, glaubst du, der Basileus wird deine Abdankung widerspruchslos hinnehmen?«

Kapitel 3

    »Gebt mir das Evangelium!«, wiederholte der Römer am Eingang der Genisa.
    Ein Scherge der Inquisition?, dachte ich entsetzt. Sein römischer Akzent hat ihn verraten! Die Dominikaner werden mich erneut in den Kerker von Santa Maria sopra Minerva schleppen, und dann kann auch Luca mich nicht mehr retten ...
    Tayeb, der die panische Angst in meinen Augen gesehen hatte, griff zum Schwert.
    Der Römer gab einen Befehl auf Griechisch. Zwei Bewaffnete mit Fackeln in der Hand krochen in die Kammer, ein weiterer wartete im Gang. Der Römer wies mit seinem Schwert auf mich. »Das ist die Ketzerin Alessandra d'Ascoli, von der ich Seiner Seligkeit, dem Patriarchen, erzählt habe! Nehmt sie und den Ungläubigen fest!« Dann wandte er sich zu mir um. »Legt das Evangelium mit beiden Händen auf den Boden! Langsam, ganz langsam!«
    Ich bückte mich, um das Papyrusfragment in den Sand vor den Tonkrügen zu legen.
    »Einen Schritt zurück!«
    Während mir der Römer den Dolch abnahm, blickte ich zu Tayeb hinüber. Zwei Bewaffnete bedrohten ihn mit ihren Klingen.
    Er ist kein Dominikaner!, schoss es mir durch den Kopf. Die Predigermönche sind nicht bewaffnet. Sie haben stärkere Waffen als Schwerter: Terror, Exkommunikation und Folter. Aber dann fiel mir ein, dass mein Vater, als er noch

Weitere Kostenlose Bücher