Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
auf mich warten. Er soll mich nach Santa Maria Novella begleiten!« Der Sekretär nickte und verschwand.
»Was will er von Euch?«, fragte Cesarini unruhig. Dachte er an seinen Brief an Luca, der Hochverrat an Papst Eugenius war?
»Ich weiß es nicht.« Ich erhob mich und überreichte dem Kardinal mein Geschenk. »Dieses Buch habe ich im Souk von Alexandria entdeckt. Ich dachte, es könnte Euch gefallen.«
Er schob den Brokatstoff zurück, in den Caedmon das Geschenk gewickelt hatte. Behutsam schlug er das kostbar illuminierte griechische Werk auf.
Andächtig blätterte er durch die Seiten. Seine Augen leuchteten. »Mein Gott, wie schön! Ein überaus großzügiges Geschenk ...« Trotz seiner Schmerzen lächelte er verschmitzt. »... das Euch aber nicht retten wird, meine Liebe! Erinnert Ihr Euch, dass ich Euch vor kurzem eine Frage gestellt habe, die Ihr noch nicht beantwortet habt: Was habt Ihr in Alexandria gefunden?«
»Wer weiß?«, neckte ich ihn mit einem rätselhaften Lächeln. »Vielleicht einen uralten Pergamentcodex mit verblasster griechischer Schrift? Oder ein Evangelium?«
Fassungslos starrte er mich an.
»Seine Heiligkeit erwartet mich«, erinnerte ich ihn. »Wenn es Euch recht ist, würde ich gern nach der Audienz mit Euch zu Abend essen. Und von meinen Abenteuern berichten.«
»Ich werde auf Euch warten«, versprach er. »Ihr seid in Lebensgefahr, Alessandra! Passt auf Euch auf!«
»Das werde ich!«
»Und lasst mich nicht zu lange warten!«, ermahnte er mich mit erhobenem Finger.
Ich musste lachen. »Keine Sorge, ich komme so schnell wie möglich zurück, um Euch von Eurer Ungeduld zu erlösen!«
Nach dem Abschied vom Kardinal geleitete mich Fra Girolamo hinunter in den Hof, wo Tayeb und Tito mit den Pferden warteten.
»Was ist geschehen?«, fragte ich meinen Freund.
»Keine Ahnung«, flüsterte Tayeb. »Der Papst hat seinen Sekretär mit einer bewaffneten Eskorte geschickt, um dich abzuholen. Als ich Fra Domenico sagte, du wärst ausgegangen, deutete er an, dass der Papst sehr erregt sei und dich unverzüglich sprechen wolle.« Er reichte mir ein Pergament, das ich im Schein der Fackeln entfaltete. »Ich nehme an, dass du diese Zeichnungen mitnehmen willst, um sie dem Papst zu zeigen. Die vierte Skizze liegt in deinem Arbeitszimmer.«
»Hast du mit unserem Hüter des Evangeliums gesprochen?«
»Nach der Mitternachtsmesse wird er uns erwarten.«
Der Sekretär des Heiligen Vaters geleitete mich die Treppe hinauf in Eugenius' Privatgemächer. Vor allen Räumen standen Bewaffnete seiner venezianischen Leibgarde.
»Er erwartet Euch.« Fra Domenico öffnete mir die Tür.
Eugenius stand am Fenster und blickte nachdenklich hinunter in den Chiostro Grande. Er trug den päpstlichen Ornat - das weiße Brokatgewand und die rote Mozzetta aus Samt mit dem Hermelinkragen. Als ich den Raum betrat, wandte er sich um und kam mir einige Schritte entgegen. »Danke, dass Ihr sofort gekommen seid, Alessandra!«
»Was ist geschehen, Heiliger Vater?«
Ich wollte niederknien, um seinen Ring zu küssen, doch er winkte ab. »Kommt mit! Ich will Euch etwas zeigen.« Ich folgte ihm in den benachbarten Raum.
Einer der Sessel vor dem Kamin war umgestürzt. Die Wolldecke und das Bettlaken seines Bettes waren zerwühlt. Das Kopfkissen war aufgeschlitzt und zerfetzt. Das Nachtgewand lag auf dem Boden. Die Bücher, die offenbar auf seinem Nachttisch gelegen hatten, waren vor dem Bett verstreut.
Sein Schlafgemach war durchwühlt worden!
»Wann ist das passiert?«
»Vor einer Stunde. Ich war in der Kapelle, um zu beten.«
»Wer weiß noch davon?«
»Nur mein Sekretär. Cosimo hat Ludovico zum Abendessen eingeladen. Ich wollte mich mit Euch beraten, bevor ich ihn verständige.«
»Wer außer Eurem Sekretär und dem Erzbischof hat Zutritt zu Euren Gemächern?«
»Einige Mönche, die mir als Diener aufwarten - Augustiner, Benediktiner und ... Heilige Mutter Gottes!«
»... und Dominikaner«, vollendete ich seinen Satz. »Ja.«
»Verdächtigt Ihr einen der Fratres?«
Er schüttelte nachdenklich den Kopf. »Meine Nachforschungen nach Lucas Mörder haben bisher zu keinem Ergebnis geführt.«
Ich wies auf das heillose Durcheinander vor seinem Bett. »Habt Ihr schon feststellen können, ob etwas gestohlen wurde?«
»Das griechische Markus-Evangelium ist verschwunden.«
Der antike Codex!
Ich berichtete Eugenius von den Ereignissen der letzten Nacht: dem Dominikaner, der mein Arbeitszimmer durchsuchte, seiner
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