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Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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letzte Stiege erreichte.
    Eine Tür - dann wehte mir der eisige Wind ins Gesicht.
    Ich stand auf der Kuppelspitze hoch über den Dächern von Florenz. Vom Rand der ringförmigen Plattform starrte ich wie gebannt an den weißen Rippen entlang die atemberaubend steilen Flanken der Kuppel hinab in einen tiefen Abgrund. Fast senkrecht unter mir erkannte ich den Palazzo d'Ascoli mit dem Wehrturm, zwei Schritte hinter mir gähnte der schwarze Höllenschlund des Oculus, des Ringes in der Kuppelspitze, auf dessen Rand die Laterne errichtet werden sollte.
    Über mir ragte der hölzerne Aufbau des Hebekrans mit den beiden weit ausgreifenden Schwenkarmen auf - der zweite Kranarm verhinderte, dass die Last am Ende des Seils in den starken Höhenwinden, die um die Domkuppel wehten, ins Pendeln geriet. Brunelleschi hatte den Kran nach Fertigstellung der Kuppel nicht entfernen lassen - nach dem Ende der Konzilssitzungen sollte mit dem Bau der Laterne an der Kuppelspitze begonnen werden. Die tonnenschweren Marmorblöcke sollten mithilfe dieses Lastenaufzugs auf diese ringförmige Plattform gehoben werden.
    Während ich verschnaufte, prüfte ich den Zustand des dicken Seils und die Verschnürung, mit der es am Mast des Krans befestigt war, um Wind und Wetter zu trotzen. Mit zitternden Fingern gelang es mir schließlich, den Knoten zu lösen. Ich legte den hölzernen Hebel für die Bremsvorrichtung um und rastete ihn in einer bestimmten Position ein.
    Dann öffnete ich die schmale Tür zur Treppe, die nach unten führte, und wollte die ersten Stufen hinabsteigen, als sich mir der schwarze Mönch mit aller Kraft entgegenwarf. Hinter der Tür hatte er auf mich gewartet!
    Im Schein der Laterne blitzte der Dolch. Er verfehlte mich nur um Haaresbreite!
    Die Laterne fiel polternd auf die Treppe und erlosch.
    In tiefster Finsternis wirbelte ich herum und stürmte hinauf zur Kuppelspitze. Der Mönch erwischte den Saum meines Gewandes, doch ich entwand mich ihm und wich zurück bis an den Rand der schmalen, ringförmigen Plattform.
    Drohend kam er näher. Sein Gesicht, unter der schwarzen Kapuze verborgen, lag im Schatten.
    Mit dem rechten Fuß tastete ich nach dem Abgrund. Noch ein Schritt, und ich würde in die Tiefe stürzen.
    Mein Blick irrte über die Schulter des Assassinos.
    Mir blieb nur diese eine Chance!
    Dann tat ich etwas, das ihn verwirrte: Ohne ihn aus den Augen zu lassen, legte ich mein Gewand ab, knüllte es zusammen und schleuderte es in weitem Bogen hinunter auf die Piazza. Darunter trug ich nur ein Hemd und die weite Hose.
    Verdutzt sah er der im Wind flatternden Robe nach und war einen Augenblick lang abgelenkt.
    Da stürmte ich geradewegs auf ihn zu ...

    … und auf den Abgrund hinter ihm.

Kapitel 18

    Zu Tode erschrocken fuhr ich hoch, als ein Schatten in mein Schlafgemach huschte. Ich griff nach dem Dolch neben dem Kopfkissen, raffte die Bettdecke um mich und sprang aus dem Bett. Wo war der Bewaffnete, der vor der Tür wachen und mein Leben schützen sollte? Mein Herz klopfte bis zum Hals.
    Im hellen Mondlicht sah ich, wie der Attentäter beide Hände hob. Er war verhüllt, sodass ich sein Gesicht nicht erkennen konnte. Wer hatte ihn geschickt, um mich zu ermorden? Demetrios? Sein Freund Selim? Oder dessen Cousin Murad?
    Der verschleierte Mann auf der anderen Seite des Bettes streckte mir beide Hände entgegen, die Handflächen nach oben gekehrt. »Ich bin unbewaffnet!«, murmelte er in besänftigendem Tonfall. Er sprach Italienisch mit arabischem Akzent. »Bitte legt den Dolch weg! Verzeiht, dass ich Euch erschreckt habe.«
    »Tayeb?«, seufzte ich erleichtert.
    »Ja.« Er zog den Schleier vom Gesicht. »Bitte folgt mir zum Palazzo d'Ascoli. Etwas Furchtbares ist geschehen.« In kurzen Worten schilderte er mir die dramatischen Ereignisse der letzten Stunden.
    » Tot?«, flüsterte ich bestürzt. »Allmächtiger Gott!«
    »Bitte kommt mit mir«, flehte Tayeb.
    Während er eine Kerze entzündete, warf ich mir meinen Mönchshabit über. Ich weckte Natanael, der nebenan schlief. Hastig kleidete er sich an und durchwühlte die Truhe mit den Medikamenten und dem chirurgischen Instrumentarium nach einer kleinen Phiole aus Glas.
    Wenig später folgten wir Tayeb die Treppen hinunter in den Hof des Palazzo Albizzi. Das Portal wurde geöffnet, und wir hasteten hinaus in den Borgo, der nach rechts zum Domplatz führte.
    Im Schein der Fackeln an der Fassade des Palazzo d'Ascoli sah ich Alessandras schwarzes Gewand, das

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