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Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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die Kapelle und stieg die Treppe hinauf zu Alessandras Gemächern. Die Tür zu ihrem Arbeitsraum war geschlossen - von innen verriegelt, wie Tayeb mir vorhin anvertraut hatte.
    Er hatte mir nicht gesagt, was Alessandra und er mitten in der Nacht in San Marco wollten. Doch ich konnte es mir denken: Sie hatten das Evangelium dorthin gebracht, um es in Fra Serafinos Schatzkammer zu verstecken. Niemand würde die Papyrusfetzen in der Klosterbibliothek mit Hunderten von Bänden finden!
    Ich ging weiter zu Alessandras Schlafgemach, horchte einen Herzschlag lang in die nächtliche Stille, trat leise ein und schloss die Tür hinter mir.
    Sie lag auf dem Bett und starrte ins Feuer des Kamins. Das Licht funkelte in ihren Augen, Tränen rannen ihr über das Gesicht und tropften auf das Kopfkissen.
    Als ich mich auf dem Rand ihres Bettes niederließ, richtete sie sich schluchzend auf, umarmte mich ungestüm und presste ihr Gesicht gegen meine Schulter. »Ich bin so froh, dass du gekommen bist!«, weinte sie und hielt sich bebend an mir fest.
    Sanft ließ ich sie in die Kissen zurücksinken. Sie schlang ihre Arme um meine Schultern und zog mich zu sich herunter. Ich legte mich neben sie auf die Bettdecke, in die sie sich wie in einen schützenden Kokon gewickelt hatte.
    »Wie geht es dir, mein Schatz?«, flüsterte ich und wischte ihr zärtlich die Tränen ab. Sie drängte ihr Gesicht gegen meine Hand und küsste sie. »Bist du verletzt? Natanael hat mir eine Phiole mit Opium in die Hand gedrückt. Soll ich dir ein paar Tropfen geben?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich will nicht schlafen, Niketas, sondern um Alexios trauern.«
    Ich umarmte sie, wiegte sie wie ein Kind und küsste sie. »Willst du mir erzählen, was dort oben auf der Domkuppel geschehen ist?«
    Sie nickte, lehnte ihr Gesicht an meine Schulter und berichtete mir leise schluchzend, wie der schwarze Mönch sie an den Rand des Abgrunds getrieben hatte.
    »Nachdem ich mein Gewand hinabgeworfen hatte, bin ich auf ihn zugestürmt. Er war so überrascht, dass er sich nicht gewehrt hat. Ich wich ihm aus und erreichte den Hebekran hinter ihm. Zuvor hatte ich das Tau losgemacht und den Bremshebel umgelegt und eingerastet. Ich packte das dicke Seil, wand es mir um die Beine und dann ...« Sie holte tief Luft. »... dann bin ich durch den Oculus in der Kuppelspitze gesprungen. Mit rasender Geschwindigkeit stürzte ich am Seil hinab ins Oktogon. Hätte der Assassino nicht versucht, mich aufzuhalten, wäre ich vor dem Altar auf dem Marmorboden aufgeschlagen. Brunelleschi hat den Dombauarbeitern verboten, diesen Lastenaufzug zu benutzen, denn vor Jahren war ein Handwerker in den Tod gestürzt.«
    Schniefend wischte sie sich mit dem Handrücken über die verweinten Lider. Ich strich ihr tröstend über das Haar.
    »Ich weiß nicht, wieso er im letzten Moment den Bremshebel umgelegt hat. Das Seil kam zum Stillstand, und ich schwebte etliche Ellen über dem Boden der Kathedrale.«
    »Und dann?«
    »Ich dachte, er habe den Lastenaufzug angehalten, um das Seil durchzuschneiden, damit ich in die Tiefe stürzte und am Boden zerschmetterte. Von oben konnte er nicht erkennen, wie weit ich schon mit dem Seil hinabgefallen war.«
    »Und dann?«
    »Ich bin gesprungen und wie tot auf dem Boden liegen geblieben. Im Mondlicht konnte ich sehen, wie er sich weit über den Rand des Oculus beugte, um zu sehen, ob ich den Sturz überlebt hatte. Ich blieb reglos liegen, bis ich sicher war, dass er die Stiegen durch die Domkuppel hinunterhastete. Einen anderen Fluchtweg hatte er ja nicht. Ich versuchte, die Türen zu den Treppen in den Stützpfeilern abzusperren, um ihn in der Kuppel einzuschließen, doch vergeblich. Ich hatte keinen Schlüssel, und die Riegel waren an der Innenseite. Da bin ich geflohen und habe Tito und Alexios geweckt, damit sie ...«
    Sie stockte.
    »Und nun ist Alexios tot! Und der Mönch ist wieder entkommen. Letzte Nacht hat er mein Arbeitszimmer durchsucht, um das Evangelium zu finden. Gestern Abend hat er das Schlafzimmer des Papstes verwüstet und das antike Markus-Evangelium gestohlen, das ich in Alexandria gefunden habe. Heute Nacht hat er Tayeb und mich nach San Marco verfolgt und versucht, mich zu töten. Wer ist sein nächstes Opfer? Ich? Du? Der Papst? Auf Kardinal Cesarini und meinen Cousin, Kardinal Colonna, sind ebenfalls Mordanschläge verübt worden.«
    »Allmächtiger Gott!«, stöhnte ich. »Leben sie noch?«
    Sie nickte. »Niketas, ich habe furchtbare

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