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Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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ausgebreitet auf den Pflastersteinen lag ... wie eine zerschmetterte Leiche. Entsetzt blickte ich empor zur gewaltigen Domkuppel. Was war dort oben geschehen? Aus dieser Höhe den Sprung zu wagen ...
    Natanael und ich folgten Tayeb durch das von Floriano bewachte Portal in den Palazzo, dann die Treppe hinauf in die Kapelle, wo Luca aufgebahrt gelegen hatte. Auf dem Altar brannten sechs Kerzen, in deren düsterem Licht ich zwei junge Männer erkannte.
    Tito hockte vornübergebeugt auf dem Chorgestühl, sein tränennasses Gesicht barg er in beiden Händen. Er weinte mit zuckenden Schultern. Neben ihm lagen zusammengeknüllt ein weißes Gewand und ein schwarzes Skapulier - ein Dominikanerhabit!
    Zwei Sitze weiter kauerte still und in sich gekehrt Caedmon, auch er totenbleich. Eine Träne rann ihm über die Wange. Mit glänzenden Augen und verkniffenen Lippen starrte er auf die Gestalt, die in der Mitte der Kapelle aufgebahrt lag.
    Ich trat an den Katafalk und betrachtete den Toten.
    Es war Alexios.
    »Die Klinge traf ihn ins Herz. Er war sofort tot«, murmelte Natanael, der als Medicus den Leichnam untersuchte. »Mein Gott, Niketas, siehst du seinen entsetzten Ausdruck? Er wirkt, als habe er seinem Mörder ins Gesicht gesehen und ihn erkannt.«
    Ich legte die Hand auf die Stirn des Toten, sprach ein Gebet und segnete ihn. Dann setzte ich mich neben Tito auf das Chorgestühl und legte ihm tröstend die Hand auf die zuckenden Schultern. »Es tut mir sehr leid, Tito. Ich weiß, was Ihr und Alexios füreinander empfunden habt.«
    Mit beiden Händen fuhr er sich über das Gesicht und wischte sich die Tränen ab. »Wir haben uns geliebt«, schluchzte er. »So wie Ihr und Alessandra.«
    Caedmon hatte seinen Blick abgewandt und starrte mit funkelnden Augen auf das Fresko des Gekreuzigten oberhalb des Altars. Wie dachte er über meine Liebe zu Alessandra?
    »Was ist geschehen?«, fragte ich Tito.
    Ich verstand nicht alles, was er mir erzählte, da er immer wieder in Tränen ausbrach. Nur so viel: Tito war um den Campanile herum zum Portal der Kathedrale gerannt, um den schwarzen Mönch zu stellen, mit dem Alessandra auf der Kuppelspitze gerungen hatte. Alexios war ihm auf den Fersen gewesen, als er Tito etwas zurief und umkehrte, um zur Porta dei Canonici zurückzueilen. Durch die zuvor verschlossene Pforte gegenüber dem Palazzo d'Ascoli hatte der Assassino unbemerkt verschwinden wollen - und war Alexios in die Arme gelaufen. Niemand wusste, ob Alexios und der Mönch noch auf der Piazza miteinander gerungen hatten. Wie auch immer: Alexios hatte ihn bis zur Kirche Santa Croce verfolgt. Tito, der in der Sakristei der Kathedrale den Dominikanerhabit des Attentäters entdeckt und dann in den Gassen nach seinem Geliebten gesucht hatte, fand ihn eine Stunde später im Schatten der Kirche. Alessandras Dolch ragte aus seiner Brust.
    Tito war zum Palazzo d'Ascoli zurückgeeilt, wo Tayeb nach seiner Suche nach Alessandra endlich eingetroffen war. Die beiden brachten Alexios nach Hause. Während Tito und Caedmon den Toten auf dem Katafalk aufbahrten, war Tayeb erneut aufgebrochen, um Natanael und mich zu holen.
    »Ihr seid sein Erzbischof. Würdet Ihr ihn nach orthodoxem Ritus bestatten?«, bat Tito schluchzend.
    Ich ergriff seine Hand und drückte sie.
    Es war üblich, den Leichnam vor der Beisetzung zu waschen und in ein weißes Tuch zu hüllen. Tief gläubige orthodoxe Christen kauften ihr Leichentuch in Jerusalem: ein weißes Linnen, welches - ähnlich dem Grabtuch Jesu, das jahrhundertelang in Konstantinopolis aufbewahrt worden war - mit dem Abbild des Auferstandenen bestickt war. Ich fragte Tito, ob Alexios ein solches Tuch besessen habe, und er nickte. Dann erhob er sich und verschwand, um es zu holen.
    Wie versteinert hockte Caedmon auf seinem Sitz und starrte den Toten an. Sein blasses, maskenhaftes Gesicht war mir ein Rätsel. Was empfand er? Trauer? Oder Zorn?
    »Caedmon?«, sprach ich ihn an.
    Es fiel ihm schwer, mir in die Augen zu sehen. »Mylord?«
    »Wo ist sie?«
    »In ihrem Schlafzimmer.«
    »Ich werde nach ihr sehen.«
    Er nickte stumm, wandte sich wieder Alexios zu und murmelte etwas auf Englisch. »My Lord Jesus Christ, my Redeemer, have mercy! Son of the Almighty God, save me ...«
    Sprach er ein Gebet für Alexios?
    Ich erhob mich. Natanael hielt mich am Arm fest. »Soll ich dich begleiten?«
    »Nein, Natanael. Warte hier auf Tito.«
    Wortlos drückte mir mein Bruder die kleine Glasphiole in die Hand.
    Ich verließ

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