Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
tief durch. »Alessandra d'Ascoli war vor einigen Wochen in Alexandria und hat in einer Ruine uralte Tonkrüge entdeckt. Eine dieser Amphoren enthielt ein Evangelium, das sie bei ihrer überstürzten Abreise aus Ägypten mit nach Florenz genommen hat.
Patriarch Philotheos will es zurückhaben, bevor es dem Papst in die Hände fällt - Ihr wisst, dass Kyria Alessandra das Vertrauen Seiner Heiligkeit genießt. Philotheos befürchtet nun, dass Eugenius das Evangelium missbrauchen könnte, um seinen selbstherrlichen Primat über die orthodoxen Patriarchate und seine ketzerischen Irrlehren zu rechtfertigen.«
»Das würde die Verhandlungen zwischen dem Basileus und dem Papst noch schwieriger machen!«
»So ist es.«
»Weiß der Kaiser von diesem fünften Evangelium?«
Markos schüttelte den Kopf. »Nach dem Anschlag des Türken und Prinz Selims Tod hat Seine Majestät im Moment andere Sorgen. Er glaubt, dass sein Bruder Demetrios ihm nach dem Leben trachtet.«
Ich nickte. »Wisst Ihr denn, welches Evangelium in Alexandria gefunden wurde?«
»Der Patriarch vermutet, dass es sich um ein griechisches Apokryphon handelt, ein häretisches, von der Kirche nicht anerkanntes Evangelium, das vor der Bücherverbrennung unter Patriarch Athanasios im Jahr 367 gerettet und versteckt worden ist. Er hat jedoch keine Ahnung, ob es sich um einen Pergamentcodex oder um eine Papyrusrolle handelt. Deshalb hat er Bruder Leonidas, einen Kenner antiker Handschriften, nach Florenz geschickt. Er soll das Evangelium suchen und nach Alexandria zurückbringen ...«
Kapitel 21
Bestürzt ließ ich den Brief sinken, den Caedmon mir gebracht hatte, nachdem Niketas zu seinem abendlichen Treffen mit dem Metropoliten von Ephesos aufgebrochen war.
Zuerst hatte ich gedacht, dass mein Cousin mir aus Rom geschrieben hatte, um mich zu beruhigen. Um mir zu berichten, dass er mit Scarampo gesprochen hatte. Dass es keinen Aufstand der Colonna geben würde, keine Erstürmung des Vatikans, keine Eroberung der Engelsburg. Ungeduldig hatte ich Caedmon das Schreiben aus der Hand gerissen, um es umzudrehen und die vertraute Handschrift zu lesen. Doch der Brief kam nicht von Prospero.
Lorenzo Valla hatte mir geschrieben.
Mit zitternden Fingern hatte ich das Siegel abgerissen, das Pergament entfaltet und atemlos gelesen.
»Mylady?«, sprach Caedmon mich an, doch ich beachtete ihn nicht.
In Gedanken versunken starrte ich auf die Pergamentblätter und las die Zeilen noch einmal. Lorenzo war tief erschüttert über Lucas Ermordung wenige Tage nach seinem Besuch in Neapel. Mein Vater habe mit ihm über die Kirchengründung sowie die Konstantinische Schenkung gesprochen.
Nach der bestürzenden Nachricht von Lucas Tod habe er sein Gewissen erforscht und sich entschlossen, trotz der Bedenken meines Vaters und trotz aller Gefahren für sein eigenes Leben das Traktat über die Fälschung der Konstantinischen Schenkung zu veröffentlichen. Der ›Henker Gottes‹, der ›Kardinal des Satans‹ an der Spitze des Kirchenstaates, müsse seiner weltlichen Macht beraubt werden! Die Anbetung von Ruhm, Macht und Gewalt als satanische Trinität und die Satansmessen zur Verherrlichung des Fürsten der Finsternis müssten ein Ende haben! Luca solle das letzte Opfer auf seinem blutüberströmten Opferaltar sein und ... »Mylady?«
Ich sah auf: Caedmon stand offenbar schon eine ganze Weile in der offenen Tür und versuchte, meine Aufmerksamkeit zu erregen. »Seine Heiligkeit hat eine bewaffnete Eskorte geschickt. Er bittet Euch, nach Santa Maria Novella zu kommen. Sofort!«
Wenig später erreichten Caedmon und ich die Residenz des Papstes. Sein Sekretär öffnete die Tür zum päpstlichen Arbeitszimmer und bat mich einzutreten.
Als Caedmon wie bei unserem letzten Besuch hinter mir zurückblieb, wandte ich mich an der offenen Tür zu ihm um. »Was ist, Caedmon? Wollt Ihr mich nicht begleiten?«
Als er mich erstaunt anblickte, winkte ich ihm, mir zu folgen.
Fra Domenico schloss hinter uns die Tür.
Eugenius erhob sich hinter seinem Schreibtisch und kam mir einige Schritte entgegen, um mir die Hand mit dem Fischerring zum Kuss darzubieten.
»Heiliger Vater, darf ich Euch meinen Sekretär, Bruder Caedmon of Canterbury, vorstellen?« Ich wies auf den jungen Benediktiner, der neben der Tür stehen geblieben war und nun ehrfurchtsvoll niederkniete.
Ich hielt den Atem an und hoffte, dass Eugenius sich an sein Versprechen erinnern würde, das er mir am Tag von Scarampos Abreise
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