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Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Wo, zum Teufel, war das Buch? Endlich hatte ich es gefunden, zog es aus dem Sarkophag und half Tayeb, die Grabplatte an ihren Platz zurückzuschieben.
    Dann nahm ich das Buch und blätterte darin. »Es ist unversehrt. Es stinkt ekelerregend, aber es ist nicht vermodert. Lass uns verschwinden, Tayeb.«
    Ich hatte plötzlich das Bedürfnis, ein heißes Bad zu nehmen und meine Haut mit der Bürste zu reinigen, bis sie schmerzte, um mich vom Geruch des Todes zu befreien. Und dann, so hoffte ich, würde Niketas mich zu meinem Bett tragen und mit zärtlichen Liebkosungen und leidenschaftlichen Küssen erregen und auf andere, sehr sinnliche Gedanken bringen ...
    Nie hatte ich mich lebendiger gefühlt als im Angesicht des Todes!

    Am nächsten Morgen zog ich mich in mein Arbeitszimmer zurück, um in Ruhe an meinem Evangelium zu arbeiten.
    Niketas war im Palazzo Albizzi, um sich mit Basilios und Isidor auf die erste Konzilssitzung vorzubereiten, die morgen, am Sonntag, dem 1. März 1439, in Santa Croce stattfinden sollte. Es würde ein turbulentes Symposion werden, vermutete Niketas, denn gestern hatte Markos von Ephesos die römische Kirche zornig beschuldigt, heilige Texte des Neuen Testaments und der Kirchenväter zu »berichtigem, um römische Dogmen zu stützen.
    Im Grunde hat Markos Recht, dachte ich im Stillen, denn die Kirche hatte schon von Anfang an Urkunden und Dokumente gefälscht, um machtpolitische Verhältnisse zu rechtfertigen oder den wahren Glauben gegen die Häresie zu schützen. Nicht einmal die Evangelien der Heiligen Schrift waren davon verschont geblieben, als nach dem Martyrium des »vergessenen Papstes‹ die Trennung von Kirche und Synagoge vollzogen war und es die Juden waren, allen voran Judas der Verräter, die den Erlöser und Gottessohn Jesus Christus ans Kreuz geschlagen hatten! Die Kirchengründung war eine frühchristliche Einfügung ins Matthäus-Evangelium - Jesus war ein orthodoxer Rabbi, der das Reich Gottes aufrichten wollte, ein Reich von Frieden und Gerechtigkeit, nicht die Kirche, die sich in Rom mit Gewalt rechtfertigte. Nicht Petrus, der erste Christ, war der erste Papst, sondern Jakobus, der Jude, dessen herausragende Rolle als Führer der frühen Christenheit durch den Evangelisten verschwiegen worden war. Der Auftrag des Auferstandenen zur Heidenmission und zur Taufe im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes war eine spätere Anfügung. Die Liste der ersten römischen Päpste bei Irenaios von Lyon war ebenso gefälscht wie die Urkunde der Konstantinischen Schenkung.
    Wieso, zum Teufel, quälte ich mein Gewissen, wenn ich dasselbe tat wie die Kirche seit eintausendvierhundert Jahren?
    Ich fälschte ein Evangelium.
    Na und?
    Ich zog Shemtov Ibn Shapruts Prüfstein zu mir heran, schlug den dicken Folianten auf und strich mit den Fingerspitzen über das tintengewellte Pergament, das unter der Berührung leise knackte. Der Titel war eine Anspielung auf einen Vers aus dem Buch Jesaja: ›Wir haben einen Bund mit dem Tod geschlossen und mit der Hölle einen Vertrag gemacht. Wenn die Geißel niederfährt, wird sie uns nicht erreichen, denn wir haben Zuflucht zur Lüge genommen und uns hinter der Täuschung versteckt. Darum spricht Gott, der Herr: Seht her, ich lege in Zion einen Grundstein, einen Prüfstein, felsenfest gegründet. Wer glaubt, braucht nicht ängstlich zu fliehen.‹
    Ich schloss einen Bund mit dem Tod und einen Vertrag mit Satan, um zu überleben - wie wahr!
    Seufzend erhob ich mich und holte die Papyri aus dem Tonkrug neben dem Kamin. Tayeb hatte gestern die Papyrusfetzen vorbereitet, die uns ein Antiquitätenhändler im Souk von Al-Iskanderiya angeboten hatte und die angeblich aus der antiken Stadt Oxyrhynchos stammten. Die Papyri waren Steuererklärungen und Geschäftsbriefe eines ägyptischen Gewürzhändlers. Mein Freund hatte die verblasste Tinte abgewaschen, die Papyri geglättet, gepresst und getrocknet. Dann hatte er Fragmente herausgerissen, die in Größe, Form, Farbe und Faserstruktur denen ähnelten, die wir in der versunkenen Synagoge gefunden hatten. Die zerbrochenen Fasern der Ränder hatte er über der Flamme einer Kerze angesengt, damit sie vergilbt aussahen.
    Neben den vorbereiteten Papyrusfetzen fand ich ein Leinensäckchen mit dem Sand vom Strand von Alexandria, einen Tintenstein, eine Schreibfeder mit weichem Kiel sowie ein Fläschchen mit sehr dünn angemischter Tinte.
    Ich kehrte zum Schreibtisch zurück, breitete die

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