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Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Papyrusfetzen vor mir aus, schlug Ibn Shapruts Evangelium auf und begann das erste Fragment mit der blassen Tinte in Hebräisch zu beschriften.
    Matthäus, Kapitel 5, Vers 44: ›Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde, und tut Gutes denen, die euch hassen und quälen, und betet für die, die euch verfolgen und unterdrücken.‹
    Zunächst dachte ich, die Tinte wäre zu dünn und die blasse Schrift am Ende nicht zu entziffern. Doch sobald die Tinte in der Hitze der Kerzenflamme auf meinem Schreibtisch getrocknet war, sah sie verblüffend echt aus - antik.
    Ich zupfte noch ein paar Fasern aus den ausgefransten Rändern, dann bestäubte ich das Fragment mit dem Sand aus Alexandria. Zufrieden mit meinem Werk legte ich es in die Rosenholzkassette.
    Dann der nächste Schnipsel! Ich wühlte mich durch die Seiten, bis ich ein passendes Logion gefunden hatte.
    Matthäus, Kapitel 6, Vers 24: ›Jesus sagte zu seinen Jüngern: Niemand kann zwei Herren dienen. Denn entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben oder den einen verehren und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und der Welt.‹
    Mit spitzen Fingern brach ich die rechte Seite des Fragments ab, ohne den letzten Satz zu zerstören, und warf sie ins Feuer. Dann bestäubte ich den Fetzen und legte ihn zu dem anderen ins Kästchen.
    Die nächsten Logien!
    Matthäus, Kapitel 7, Vers 16: ›An ihrem Handeln werdet ihr sie erkennen.‹
    Ich lächelte boshaft, als ich mir in allen Einzelheiten ausmalte, welche Wirkung diese Logien auf den Kardinal des Satans haben würden. Vitelleschi sprach kein Hebräisch - Caedmon dagegen schon!
    Dann verfasste ich Vitelleschis Todesurteil, wie er meines geschrieben hatte:
    Matthäus, Kapitel 12, Vers 37: ›Nach deinen Worten wirst du gerichtet werden und nach deinen Taten verdammt.‹
    Gerade hatte ich die Feder ins Tintenfass gesteckt und mir die tintenfeuchten Hände an einem Tuch abgewischt, als es leise klopfte. Erschrocken zog ich den aufgeschlagenen Prüfstein über das Papyrusfragment und schloss den Deckel der Rosenholzkassette.
    Caedmon steckte den Kopf zur Tür herein. Er wirkte besorgt. »Ich weiß, Ihr wolltet nicht gestört werden ...«
    »Was ist denn?«, fragte ich unwillig.
    Caedmon schob sich in den Raum, schloss leise die Tür und lehnte sich dagegen, als müsste er mich mit seinem Leben verteidigen. Sein rastloser Blick irrte über meinen Schreibtisch, hinunter zu den Büchern der Kirchenväter, die sich auf dem Boden neben meinem Sessel stapelten, und hinüber zum Kamin, wo die Asche von Senecas Büchlein noch glühte.
    »Nun, Caedmon, was ist?«, drängte ich ihn ungeduldig.
    In verschwörerischem Tonfall flüsterte er: »In der Bibliothek ist ein Mönch, der bittet, von Euch empfangen zu werden.«
    »Ich empfange heute nicht. Und nun geht, und lasst mich in Ruhe.«
    Caedmon rührte sich nicht von der Tür weg. »Es ist Bruder Leonidas, der Bibliothekar des Katharinenklosters. Er hat mir ein Beglaubigungsschreiben des Patriarchen von Alexandria gezeigt, der ihn offenbar nach Florenz geschickt hat.«
    »Was will er?«
    »Bruder Leonidas hat eben die Bücher in der Bibliothek bestaunt und bittet nun um Eure Erlaubnis, auch das Scriptorium besichtigen zu dürfen, während die Schreiber und Buchmaler dort arbeiten. Er sagt, er sei beeindruckt von den kostbaren Schätzen der Bibliothek und wolle etliche Truhen voller Bücher für die Bibliothek des Patriarchats mit nach Alexandria nehmen.«
    Meine Bestürzung verbarg ich hinter einem Lächeln.
    Bruder Leonidas wusste, dass ich ihn in der vorletzten Nacht im Feuerschein der brennenden Synagoge erkannt hatte. Dass ich ihn in der letzten Nacht gesehen hatte, als er Tayeb und mich nach San Marco verfolgte. Ahnte er, dass ich ihn für einen Assassino hielt?
    War seine Erwähnung der kostbaren Schätze in meiner Bibliothek eine unverhüllte Drohung, dass meine Bücher ebenso gut brannten wie die Tora-Rollen der Genisa? Eines war gewiss: Er war gekommen, um mich kennenzulernen und meinen Palazzo zu besichtigen - Treppen, Gänge, verschlossene Türen und Fluchtwege. Es war nicht schwer zu erraten, was er vorhatte.
    »Ich werde Bruder Leonidas alles zeigen, was er sehen will.« Ich erhob mich und ging zu Caedmon, der keine Anstalten machte, mir die Tür zu öffnen.
    »Mylady, das halte ich für keine gute Idee«, wandte er ein. »Ich glaube nicht, dass dieser Mönch seltene Bücher sucht. Ich habe ihn gesehen, als die Synagoge niederbrannte ...«
    Er war

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