Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
den römischen Papst gehört hätten? Der Kaiser solle vor dem Papst gekniet haben! Was hätten sich die hohen Herren bloß dabei gedacht, als sie das Unionsdekret unterzeichneten?
»Ich bin ein frommer Mann«, bekannte er und ließ dabei meine Hand nicht los. »Ich bete zu unserem Herrn Jesus Christus, ich beichte und besuche den Gottesdienst, sooft ich kann. Der Metropolit von Athen kann doch nicht einfach seine Unterschrift unter ein Dokument setzen und verkünden: ›Das ist von nun an die Wahrheit des Glaubens! Was du vorher geglaubt hast, Nikolaos, war falsch und häretische Niketas von Athen kann mir doch nicht meinen orthodoxen Glauben wegnehmen! Das kann er doch nicht tun, nicht wahr, Euer Seligkeit?«, fragte er mich und umklammerte meinen Arm. »Das darf er doch nicht!«
Basilios und ich sahen uns zutiefst beschämt an. Wir wussten nicht, wie wir uns für das, was wir getan hatten, vor ihm rechtfertigen sollten. Obwohl wir seit den Verhandlungen mit Kardinal Traversari in Konstantinopolis für die Kirchenunion gestimmt und das Unionsdekret in Florenz unterzeichnet hatten, standen wir beide kurz davor zu widerrufen. Die Demütigungen im Konzil, der Strafprozess des Papstes gegen unseren Amtskollegen und Freund Markos von Ephesos, der seine Unterschrift verweigert hatte und nun als Häretiker verdammt wurde, die Wut, die Scham, die Ohnmacht - das alles war für uns nur sehr schwer zu ertragen.
Schweigend wandten wir uns ab.
Im Torgang des Dogenpalastes legte Alessandra tröstend ihren Arm um mich und ergriff Basilios' Hand.
Wir folgten Jacopo Foscari durch den Innenhof und stiegen hinauf zur Wohnung des Dogen. Ein Sekretär öffnete uns die Tür zur Sala delle Mappe, deren Wände mit Landkarten der venezianischen Hoheitsgebiete auf dem italienischen Festland und im östlichen Mittelmeer geschmückt waren. Venedig war die Königin der Meere, und der Doge war der mächtigste Herrscher Europas!
Francesco Foscari reichte Basilios und mir die Hand und beglückwünschte uns mit feinem Zynismus zur Kirchenunion.
»Der Preis war hoch, Euer Hoheit, sehr hoch«, gab ich zu.
»Der Preis war zu hoch, Euer Seligkeit«, bestätigte er ernst. »Keiner der Herrscher des Westens ist in Ferrara oder Florenz zum Unionskonzil erschienen. Keiner von ihnen wird mit seinem Heer nach Konstantinopolis kommen, um es vor der türkischen Eroberung zu retten. Auch wir nicht, denn wir sind zuerst Venezianer, dann Christen.
Verehrter Niketas, verehrter Basilios, der Kreuzzug, den Papst Eugenius Euch arglistig versprochen hat, wird niemals stattfinden. Und was die zwei Kriegsgaleeren und die dreihundert Söldner betrifft, die er Euch zusagte - hat er denn Kardinal Vitelleschi schon auf Knien angefleht, sie ihm zur Verfügung zu stellen? Meine Herren, bitte verzeiht meinen Sarkasmus! Doch gebt Euch keinen Illusionen hin! Am Ende, wenn Sultan Murad seinem Heer den Sturmangriff auf Byzanz befiehlt, wird Euch niemand beistehen.«
Den Tag bis zu meiner Abreise verbrachten Alessandra und ich wie im Traum. Stundenlang gingen wir Arm in Arm spazieren und folgten einsamen Gassen, die nirgendwohin zu führen schienen. Wir saßen am Ufer der Kanäle und beobachteten still das Spiegelbild der Palazzi und Gondeln und das sich ständig verändernde Licht auf den Wellen.
Mit der Abenddämmerung kehrte unsere tiefe Traurigkeit zurück und unsere Verzweiflung, einander loslassen zu müssen - vielleicht für immer.
Die letzte Nacht verbrachten wir auf der Lagune in einer Gondel, die im Strom der Gezeiten trieb.
Von der Heckreling der Galeere blickte ich am nächsten Morgen hinüber zu Alessandra, die mir am Molo zuwinkte, während die Ruder der Galeere ins Wasser getaucht wurden und das majestätische Schiff langsam Fahrt aufnahm.
So viele Gefühle und so wenig Worte, um sie auszudrücken!
Ich liebe dich. Ich werde dich vermissen. Ich bin traurig und fühle mich, als habe man mir das Herz herausgerissen.
Während die Galeere an der Riva degli Schiavoni entlang in Richtung Arsenale gerudert wurde, folgte uns Alessandra auf dem Hafenkai. Doch als das Schiff schneller wurde und der Kapitän die Segel setzen ließ, konnte sie nicht mehr Schritt halten und blieb stehen.
Basilios legte mir die Hand auf die Schulter und schwieg, während Alessandra mit jedem Ruderschlag weiter hinter mir zurückblieb. Ich blickte zu ihr hinüber, bis das Schiff die Ostspitze der Insel umrundete und ich sie endgültig aus den Augen verlor.
Würde ich sie je
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