Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
Erben gebären. Sie hatte gehofft, dass ich ihr das Kind schenken könnte, nach dem sie sich so sehnte. Doch ich war in mein Kloster geflohen und hatte sie weinend zurückgelassen.
Am 17. Dezember starb Maria Komnena mit neunundzwanzig Jahren in der Blüte ihres Lebens. Und mit der Basilissa starb ein Traum von Byzanz, das nun dem Untergang geweiht schien.
Nachdem Mitte Januar 1440 noch immer kein Patriarch gewählt war, legte ich in meinem Kloster meine Titel und Ämter nieder. Ich war nun kein Bischof mehr, kein Priester und kein Mönch, und - nachdem Patriarch Philotheos von Alexandria das Anathema estö‹ über mich gesprochen hatte - nicht einmal mehr orthodoxer Christ. Ich war exkommuniziert.
Auch meine jüdische Kindheit war für mich auf immer verloren. Denn als ich auf dem Rückweg vom Basilianerkloster in den Kaiserpalast Avirams Haus im Judenviertel suchte, fand ich es nicht mehr. Es war abgerissen worden. Seine Steine verstärkten nun die Festungsmauern von Byzanz gegen einen türkischen Angriff.
Ende Januar besuchte ich Markos, der seit seiner Rückkehr aus Florenz unter Hausarrest stand. Nach der Kirchenunion war er so verbittert wie ich. Auch er war angegriffen worden, verflucht, gedemütigt, als Häretiker verdammt und mit dem Kirchenbann bedroht. Auf Befehl von Papst Eugenius sollte ihm der Prozess gemacht werden.
»Niemals habe ich eine ketzerische Lehre ersonnen, sondern nur den heiligen, orthodoxen Glauben verkündet, den Glauben Jesu Christi, an dem ich bis zum heutigen Tag festhalte. Den heiligen, orthodoxen Glauben, dem die römischen Schismatiker anhingen, bevor sie sich 1054 von uns trennten! Wie kann ich ein Häretiker sein!«, rief er verbittert aus. »Jesus Christus, unser Herr und Gott, beschütze Deine Kirche in ihrem wahren und orthodoxen Glauben und schenke den Verirrten in Rom Einsicht und die Weisheit, ihren Frevel zu erkennen! Herr, erbarme Dich ihrer!«
Nach meinem versöhnlichen Abschied von Markos bestieg ich eine venezianische Galeere, die mich über Kreta und Griechenland nach Venedig brachte.
Der Doge empfing mich am Tag meiner Ankunft. Beim Abendessen erzählte mir Francesco Foscari, vor wenigen Wochen habe das Konzil von Basel, nachdem Papst Eugenius abgesetzt und als Häretiker exkommuniziert worden war, einen Gegenpapst gewählt: Felix V., vormals Herzog Amadeus von Savoyen, nunmehr Mönchseremit in einem Kloster am Genfer See. Mir war zum Weinen zumute. In Florenz hatten wir nach monatelangen Verhandlungen endlich das Schisma beendet, nur um jetzt ohnmächtig zusehen zu müssen, wie ein neues geschaffen wurde!
Wozu hatte der Kardinal des Satans Luca ermorden lassen?, fragte ich mich verbittert. Sein Tod war so sinnlos!
Mein Gott, was musste Alessandra empfinden!
Dann waren es nur noch fünf Meilen bis Florenz.
In einer Stunde würde ich Alessandra nach einem halben Jahr endlich wieder in die Arme schließen. Ungeduldig trieb ich mein Pferd an und galoppierte nach Süden, durchquerte ein winziges Dorf mit vier oder fünf Bauernhäusern und raste den Hügel hinab.
Dann tauchte Florenz hinter einer Hügelkuppe auf.
Dort war die Kuppel von Santa Maria del Fiore!
Und dahinter Alessandras Haus.
Sie erwartete mich nicht. Sie wusste nicht, dass ich kommen würde. Denn ich hatte ihr nicht aus Venedig geschrieben, weil ich noch vor meinem Brief in Florenz sein wollte.
Noch vier Meilen!
Die Straße führte in einer weiten Kehre um einen bewaldeten Hügel herum. Von nun an ging es durch ein weites Tal bergab - vor mir lag Florenz.
Ich konnte San Marco erkennen, wo ich im letzten Jahr vor dem Konzil so viele besinnliche Wochen verbracht hatte. Und da war Santa Maria Novella. Und dort Santa Croce und nicht weit entfernt der Palazzo Peruzzi.
Mein Herz krampfte sich zusammen, als ich mich entsann, wie Ioannis und ich vor einem halben Jahr unversöhnt auseinandergegangen waren. Konstantin hatte mir bei meiner Rückkehr nach Byzanz bittere Vorwürfe gemacht. Demetrios und Thomas, die zu Marias Totenfeier aus ihrem griechischen Despotat gekommen waren, hatten kein Wort mit mir gesprochen. Meine Brüder waren für mich verloren. Nie mehr würde ich nach Byzanz zurückkehren.
Drei Meilen bis Florenz!
Dann hatte ich das Tal des Arno erreicht. In einem weiten Bogen führte die Straße auf die Stadt zu.
Kurz darauf durchquerte ich die Porta San Gallo und trabte die Via Larga hinunter zum Kloster San Marco, dann weiter zur Piazza del Duomo und zum Palazzo
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