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Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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fing mich auf wie Ihr vorhin und brachte mich ins Bett. Als er mich untersuchte, diagnostizierte er eine schwere Epilepsie.«
    Sie hob die Hand und fuhr mir durch das Haar. Die Berührung war sehr zärtlich, und ich wich ihr nicht aus. »Woher stammen diese furchtbaren Narben?«
    »Von einem Unfall, der beinahe tödlich geendet hätte.«
    »Wollt Ihr mir davon erzählen?«
    Ich zögerte, doch dann nickte ich. Ich wollte nicht, dass sie mich jetzt schon verließ.
    Sie half mir in eine sitzende Position und stopfte einige Kissen hinter meinen Rücken. Ich ließ mich zurücksinken und zog die Bettdecke über meine nackte Brust, bevor sie mich auch noch zudeckte.
    »Es war an einem Karfreitag. Ich war damals acht Jahre alt. Natanael und ich wollten die Karfreitagsprozession zur Hagia Sophia anschauen. Menschenmassen säumten die Straßen, um den spektakulären Auftritt des Basileus als Jesus Christus zu sehen. Dem liturgischen Hofzeremoniell des Karfreitags gemäß war sein Gesicht totenbleich geschminkt, und er trug ein weites weißes Gewand. Es sah aus wie ein Leichentuch. Der Kaiser ist der Stellvertreter Christi auf Erden. Was er berührt, gilt als geweiht. Niemals richtet Seine Majestät das Wort direkt an einen Sterblichen. Er spricht durch seinen Kanzler, der seine gemurmelten Worte laut wiederholt.«
    »Das byzantinische Hofzeremoniell ist sehr streng«, vermutete sie.
    »Wie in der orthodoxen Liturgie ist jedes Wort und jede Geste seit Jahrhunderten festgeschrieben. Ein Mensch, der verzweifelt versucht, sich zu befreien, um seine verlorene Freiheit wiederzuerlangen, kann daran zugrunde gehen.«
    »Verstehe.« Sie nahm meine Hand und hielt sie fest.
    »Kaiser Manuel ritt zur Hagia Sophia, um am Karfreitagsgottesdienst des Patriarchen teilzunehmen. Die Menschen drängten sich am Straßenrand, um den Basileus zu sehen und seinen Segen zu empfangen. Viele folgten ihm durch die Straßen der Stadt.
    Vor der Hagia Sophia hatten Natanael und ich uns bis in die erste Reihe der Schaulustigen vorgekämpft. Wir hatten eine Wette abgeschlossen, wem von uns es gelingen würde, das Pferd des Kaisers mit der ausgestreckten Hand zu berühren. Wir hatten damals viel Unsinn im Kopf!«
    Sie lächelte verschmitzt. »Und? Wer hat gewonnen?«
    »Ich, aber es hätte mich fast das Leben gekostet. Als sich Manuel der Hagia Sophia näherte, konnten die Palastwachen den herandrängenden Menschenmassen kaum noch standhalten. Natanael und ich wurden hin- und hergestoßen und mussten uns an einem der Bewaffneten am Straßenrand festklammern, um nicht umgeworfen und niedergetrampelt zu werden. Schließlich gelang es mir, Natanael an den Gardisten vorbei auf die Straße zu zerren, auf der sich der Kaiser im Trab rasch näherte. Einer der Wächter wirbelte herum, um uns aufzuhalten. Er packte Natanael an den Schultern und schob ihn mit Gewalt zurück in die Menge. Dabei traf er mich hart an der Schulter und warf mich um. Ich stürzte - direkt unter die Hufe von Manuels Pferd.«
    »Du lieber Himmel!«
    »Der Hengst stieg, schlug aus und hätte beinahe den Basileus abgeworfen. Nur mit Mühe konnte er sich im Sattel halten. Die Hufe seines Pferdes trafen mich hier.« Ich wies auf die Narben unter meinem Haar. »Ich stürzte auf die Straße und schlug hart mit dem Kopf auf. Die Schreie der Menge, die Enge der Gasse, das Blitzen der Schwerter der kaiserlichen Gardisten, die den Basileus beschützen wollten - all das erschreckte das Pferd. Es stieg erneut, und wieder trafen mich seine Hufe. In seiner Panik hätte der Hengst mich beinahe zu Tode getrampelt.«
    Entsetzt schlug Alessandra sich die Hand vor die Lippen. »Und dann?«
    »Daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich war bewusstlos. Manuel hat es mir später erzählt. Er sprang vom Pferd und kniete neben mir nieder. Ich blutete aus mehreren Wunden am Kopf. Ein Bein und zwei Rippen waren gebrochen. Er befahl, mich in den Palast zu bringen, um mich durch seine Leibärzte versorgen zu lassen. Nach der Karfreitagsmesse saß er an meinem Krankenlager, hielt meine Hand und betete, ich möge überleben. Ich kann mich daran nicht erinnern, denn ich lag drei Tage lang im Koma. Und danach haben mir die Ärzte so viel Opium gegeben, dass ich fast ständig schlief. Aber ich weiß, dass Manuel mich oft besuchte. Er hatte mich in diese lebensbedrohliche Lage gebracht und fühlte sich verantwortlich für mein Schicksal.
    Während ich bewusstlos war, schickte er Bewaffnete in die Stadt, die meine Eltern

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