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Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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suchen sollten. Doch die Palastwachen kehrten zurück, ohne herausgefunden zu haben, wer ich war oder woher ich kam.«
    Alessandra hob die Augenbrauen. »Und dann?«
    »Am Ostermontag gelang es Natanaels Vater endlich, den Kaiserpalast zu betreten. Als Jude war er am Tor immer wieder abgewiesen worden. Der Basileus war bestürzt, als er erfuhr, dass ich ein Waisenjunge aus dem Armenviertel war - mit einem Juden als Ziehvater. Ein christliches Kind, das bei einem Rabbi aufwuchs? Als Jude! Das war völlig undenkbar. Und so beschloss der Kaiser, meine verlorene Seele zu retten, mich taufen zu lassen und mir ein neues Leben zu schenken.«
    Sie nickte langsam. »Also ist Rabbi Natanael Euer Bruder?«
    »Ihr kennt ihn?«
    »Ich traf ihn vor einigen Tagen in Ferrara, als ich um eine Audienz beim Metropoliten von Athen bat. Er steht Euch immer noch sehr nah, nicht wahr?«
    Es lag so viel Mitgefühl in ihrem Blick, und so viel Wärme, dass mir ganz heiß ums Herz wurde.
    »Natanael ist meine einzige Erinnerung an meine jüdische Kindheit.«
    »Aber Ihr seid kein Jude. Ihr seid nicht ...« Beschämt verstummte sie und senkte den Blick.
    Verlegen zerrte ich an der Decke. »Nein, ich bin nicht beschnitten. Nach dem Gesetz der Tora bin ich kein Jude. Aber ich habe keine Ahnung, wer meine Eltern waren. Ich kann mich kaum noch an sie erinnern. Sie starben, als ich vier Jahre alt war.«
    »Wie furchtbar!«
    »Ich bin im Armenviertel aufgewachsen. Wer sich in den ersten Monaten nach dem Tod meiner Eltern um mich gekümmert hat, weiß ich nicht. Ich habe mich von Essensresten ernährt, die ich vor der Hütte fand, in der ich lebte. Irgendjemand legte jeden Tag harte Brotkanten, wurmstichige Äpfel und ganz selten auch ein paar Bissen Fleisch vor die Tür. Wenn dieser barmherzige Engel mir nicht geholfen hätte, wäre ich verhungert.
    Nach einigen Monaten, in denen ich allein in dem verfallenen Bretterverschlag gewohnt hatte, wurde ich mit Gewalt auf die Straße gejagt, wo ich fortan lebte. In der Hütte meiner Eltern kämpfte nun eine andere Familie ums Überleben. Ich besaß nichts als die dreckigen Lumpen, die ich am Leib trug - ich war völlig verwahrlost und immer hungrig. Mit den Ratten stritt ich mich um die Abfälle.«
    Behutsam strich sie über die Narbe an meinem linken Arm. »Ist das der Biss einer Ratte?«
    »Ratten sind gefährlich, wenn sie hungrig sind. Besonders für ein fünfjähriges Kind, das vom Hunger geschwächt ist. Ich hatte Fieber und konnte mich kaum noch auf den Beinen halten. Im Judenviertel habe ich die Knochen eines Lammbratens aus dem Abfall gezogen und abgenagt. Es war ein paar Tage nach dem Sederabend, dem Beginn des Pessachfestes.
    Rabbi Aviram fand mich, als er am Freitagabend vom Synagogengottesdienst nach Hause kam. Eine Ratte hatte sich in meinen Arm verbissen. Er erschlug das Biest, führte mich in sein Haus, wusch mich und verband meine Wunden. Dann gab er mir zu essen und zu trinken, steckte mich ins Bett seines Sohnes und deckte mich zu. Es war Sabbat. Das Bett war frisch bezogen. Noch nie in meinem Leben hatte ich in einem Bett geschlafen, mit einem weichen Kissen und einer warmen Decke. Noch nie hatte mir irgendjemand so viel zu essen gegeben, dass ich satt wurde. Und da war Natanael, der sich sehr liebevoll um mich kümmerte und nachts neben mir im Bett lag.« Lächelnd hing ich einen Augenblick den Erinnerungen an die glückliche Zeit meiner jüdischen Kindheit nach. »Alessandra, wisst Ihr, was für ein überwältigend schönes Gefühl Liebe und Geborgenheit sind?«
    Sie presste die Lippen aufeinander und schüttelte unmerklich den Kopf. Tränen funkelten in ihren Augen. Was hatte sie denn plötzlich?
    »Aviram brachte es nicht übers Herz, mich wieder auf die Straße zu werfen. Er erzog mich wie seinen eigenen Sohn. Er lehrte mich Lesen und Schreiben und nahm meinen Bruder und mich ganz selbstverständlich mit zum Gottesdienst, den er in der nahe gelegenen Synagoge hielt.«
    »Wie lange habt Ihr wie ein Jude gelebt?«
    »Fast vier Jahre lang. Ich aß koscher, hielt den Sabbat, feierte Pessach und Sukkot und Chanukka und hasste die Gojim, die uns Juden an christlichen Feiertagen als ›Christusmörder‹ und als ›Feinde Gottes‹ beschimpften und mit Dreck bewarfen. Ich hatte keine Ahnung, wer dieser Jesus Christus gewesen war. Aviram erzählte mir dann von der Kreuzigung, der Auferstehung und der Himmelfahrt. Das war ebenso beeindruckend wie die Geschichte vom Propheten Elija, den Gott

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