Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der vergessene Strand

Der vergessene Strand

Titel: Der vergessene Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
Vom Netzwerk:
sehen. «Ich hab Tee gekocht», meinte er, und als sie ihm den Korb mit den Brötchen hinhielt, lächelte er. «Mathilda backt immer die besten.»
    Sie saßen in der Küche. Das Fenster stand weit offen, die kühle Morgenluft strömte herein. Spatzen schimpften, nur selten fuhr ein Auto vorbei.
    «Du bist wieder hier, weil du Antworten willst.» Diesmal begann Jonathan das Gespräch. Vielleicht fand er, Angriff sei die beste Verteidigung.
    «Das will ich immer. Jedenfalls, solange du mir nicht alles erzählst.»
    Er schüttelte lächelnd den Kopf. «Schon früher warst du so … wissbegierig.»
    «Geschadet hat es mir bisher nicht. Oder glaubst du, die Wahrheit über meine Familie könnte daran etwas ändern?»
    Er starrte in seine Teetasse.
    «Eigentlich interessiert mich etwas anderes», fuhr sie fort, schob den Teller von sich und holte aus ihrer Umhängetasche Frannys Tagebuch. «Ich möchte nämlich wissen, wie deine Großeltern hießen.»
    «Meine Großeltern?» Er war verblüfft. Damit hatte er tatsächlich nicht gerechnet.
    «Bei der Arbeit am Buch bin ich auf das Dienstmädchen von Anne Lambton gestoßen. Besser gesagt: gestoßen worden. Und Franny – so heißt sie – hat eine Tochter. Die mit einem Kapitän zur See verheiratet war, über den ich leider nicht viel weiß, denn kurz darauf brechen Frannys Aufzeichnungen ab, oder sie hat in einem anderen Heft weitergeschrieben. Jedenfalls habe ich nur das hier.»
    Sie schob ihm das offene Heft hin. Vorsichtig fuhr er mit den Fingern über die Zeilen, die Amelie meinte. «Sie hieß Antonia. Meine Großmutter. Und mein Großvater hieß Reginald Bowden. Sie sind vor hundert Jahren in dieses Haus gezogen.»
    Er stand auf. «Warte hier», sagte er und verschwand.
    Diesmal ließ sich Amelie damit nicht abspeisen. Nie hatte sie über die Küche hinaus gedurft, darauf hatte Jon immer geachtet. Jetzt schob sie sich hinter dem Küchentisch hervor und folgte ihm auf leisen Sohlen ins angrenzende Wohnzimmer.
    Jonathan stand vor einem Schrank, beide Türflügel weit geöffnet. Auf den einzelnen Regalbrettern und in den Schüben stapelten sich Dokumente, Mappen, Berge aus Papier. Er fuhr herum, als er ihre Schritte hörte.
    «Du hast hier nichts zu suchen», grollte er. «Geh wieder in die Küche.» Sein Blick war so finster wie damals, als sie vor seiner Tür gestanden hatte und er sie ihr vor der Nase zugeschlagen hatte.
    Amelie ignorierte sein Knurren. Neben dem Schrank stand ein Sofa, und darüber hingen in den unterschiedlichsten Rahmen Dutzende Fotos. Alte aus dem frühen 20 . Jahrhundert waren ebenso dabei wie solche, die wohl in den siebziger und achtziger Jahren aufgenommen worden waren. Sie trat näher. Jonathan knallte die Schranktüren zu. «Amy …»
    Sie schüttelte den Kopf.
    «Es ist auch meine Vergangenheit», flüsterte sie. Und lächelte, denn sie hatte das Hochzeitsfoto ihrer Eltern entdeckt. Darauf sah sie ihren Vater.
    Er war ein hübscher Kerl. Rotblonde Haare, helle Augen. Ein Funkeln im Blick, voller Glück. Ihre Mutter trug ein schlichtes, weißes Kleid, keinen Schleier. Nur einen Kranz aus Blumen auf den kupferroten Locken.
    Andächtig fuhr Amelie mit dem Finger über den Rahmen. Hinter sich hörte sie Jonathan schwer atmen. Doch davon ließ sie sich nicht beirren. «Sie waren ein hübsches Paar.»
    Und man sah auf diesem Foto, wie sehr sie einander geliebt hatten, daran bestand für Amelie kein Zweifel. Zumindest im Blick ihres Vaters lag etwas Stolzes, Ungläubiges, dass er so ein hübsches Mädchen für sich gewonnen hatte.
    Jonathan gab einen unartikulierten Laut von sich.
    Es gab Babyfotos von ihr. Manche, auf denen sie blonde Haare hatte, andere wiederum mit dem Kupferrot ihrer Mutter. Verwirrt runzelte sie die Stirn. Babys konnten doch nicht so schnell die Haarfarbe wechseln?
    Ein Foto zeigte sie mit einem Jungen, der etwas älter als sie zu sein schien. Beide Kinder saßen am Strand auf einer bunten Decke und hielten ein Eis in der Hand. Amelies Mutter hatte die Arme um die Kinder gelegt. Vermutlich hatte ihr Vater das Bild aufgenommen.
    «Wer ist das?», fragte Amelie und zeigte auf den Jungen. «Mein Kindergartenfreund?»
    Jonathan hob die Hand und nahm das Bild von der Wand. Seine Finger zitterten. Beinahe wäre es ihm entglitten.
    «Jon?» Besorgt musterte Amelie ihn. «Was ist los?»
    «Amy …» Seine Stimme war kaum mehr als ein Ächzen. «Bitte, Amy …»
    Jetzt hatte sie wirklich Angst um ihn. Besorgt nahm sie seinen

Weitere Kostenlose Bücher