Der vergessene Strand
wieder, bei einem unerträglichen Liederabend. Die hübsche Viv sang dort, und so schön und zart ihr Gesicht auch sein mag, ihre Stimme ist schrecklich und schraubt sich in schrille Höhen. Teresa, die mich begleitete, konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, und nach der Pause blieben wir draußen, nippten Champagner, und sie erzählte mir vom Eheleben. (Wie heiß ich sie damals noch darum beneidete!) Er kam hinzu, wie sich herausstellte, war er mit Teresa wohlbekannt, und so entspann sich bald ein lebhaftes Gespräch, bei dem er sich, wir merkten das beide, mehr mir zuwandte denn Teresa.
Als er ging, weil er seine Frau heimbegleiten wollte, sprach sie mich darauf an.
«Er scheint einen Narren an dir gefressen zu haben.»
Ich wiegelte ab. Das sei unmöglich, dieser Mann, behauptete ich, habe nur an sich selbst einen Narren gefressen.
Teresa ließ sich davon nicht abbringen. Sie erzählte mir als Erste, wie unglücklich er in seiner Ehe sei. Seine Frau sei ebenfalls am Boden zerstört, die Gründe seien vielfältig.
«Wärst du verheiratet», sagte sie, «er hätte dich sofort in sein Bett geholt.»
Ich begriff es nicht, Bee. Ich hatte keine Ahnung von dem, was Verheiratete tun, ich wusste nicht, dass eheliche Treue ein Versprechen ist, an das sich kaum einer hält. Wohl dachte ich an deinen Trisk, an die Andeutungen, die du machst. Einmal hast du mir erzählt, in deinem Haushaltsbuch gebe es einen Posten für Freiheiten – seine Freiheiten, mit denen du ein Apartment finanzierst und den Unterhalt seiner Mätresse. Damit er Ruhe gibt, hast du gesagt.
Langsam verstehe ich, was du damit meinst, denn jetzt bin auch ich so eine Mätresse geworden. Ich bin in etwas hineingerutscht, von dem ich überzeugt bin, es wäre mir nicht passiert, wenn unsere Mutter uns beide besser vorbereitet hätte. Du hast selbst gesagt, du wärst nicht vorbereitet gewesen auf das, was Trisk von dir erwartet.
Er hat sich benommen wie ein Gentleman. Er hat gefragt, ob es in Ordnung ist, mehrmals, und erst dann hat er mich auf eine Weise kompromittiert, die es mir unmöglich machen wird, jemals einen Mann zu heiraten. Ich bin verdammt zu diesem Leben als Mätresse, ich bin die Andere, die in den Büchern der Duchess als kleines x auftaucht, denn sie überwacht die Ausgaben in seinem Haus, das weiß ich inzwischen, er hat es mir erzählt.
Wir haben ein Liebesnest. Mehr sage ich dir nicht, nur dass es einen Ort gibt, an den wir uns begeben, wenn wir uns treffen. Viel zu selten übrigens – wir müssen die Zeit dafür stehlen. Oft tun wir es, wenn ich zu dir aufs Land fahre; dann bleibe ich für die Eltern einen Tag länger bei dir oder reise einen Tag später zu dir, gern beides. So habe ich auf beiden Wegen eine Nacht bei ihm.
Und manchmal reise ich auch woandershin, so wie letzte Woche. Offiziell auf dem Weg zu Teresa, aber in Wahrheit in seine Arme. Dass du in jener gottverlassenen Gegend Londons warst, sollte mich wohl wundern, aber ich frag nicht nach, weil ich vermute, du hast deine Gründe.
Meine Gründe sind alles andere als angemessen.
Und nun weißt du alles von mir. Bitte, hasse mich nicht zu sehr. Sei mir weiterhin die Schwester, die Vertraute, die Freundin. Es war mir eine schwere Last, mich bisher niemandem anvertrauen zu können. Dass du nun weißt, wie tief ich gefallen bin, ist für mich Schrecken und größte Erleichterung seit Monaten.
Sieh, ich bin die Mätresse eines Dukes. Ich liebe ihn, wie ich einen Mann nur lieben kann, und ich werde alles tun, um diese Liebe zu schützen, denn sie muss im Geheimen stattfinden, allein, um meinen Ruf zu schützen, auch den unserer Familie. Es würde Mutter das Herz brechen, und Vater würde mich vermutlich totschlagen, wenn er davon erführe. Ich kann nur hoffen, dass du es keinem erzählst. Verdenken könnte ich es dir nicht, wenn du diese Last nicht für mich tragen magst.
Mein Leben liegt in deinen Händen, Bee. Mein Glück. Meine Zukunft.
Meine einzige Entschuldigung ist die: Ich liebe ihn. Aber ich weiß nicht, ob das genügt.
Alles Liebe.
Bumble
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Kapitel 8
D an hatte wirklich genug Platz. Über der Apotheke gehörten zwei Etagen nur ihm – eine große Wohnküche, Wohnzimmer, Gästezimmer und Gästebad, darüber im zweiten Obergeschoss sein Schlafzimmer mit zweitem Bad, ein Arbeitszimmer. Sie wanderte ein wenig umher, während er im Gästezimmer das Bett bezog. Nicht mal das durfte sie tun, er war da sehr entschieden.
Im Wohnzimmer
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