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Der vergessene Strand

Der vergessene Strand

Titel: Der vergessene Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
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Staub gemacht. Meine Großmutter … mehr gibt’s da nicht. Wir sind eine kleine Familie.»
    «Hm. Und du hast nie nach deinem Vater gesucht?»
    «Nein», sagte Amelie überrascht.
    Natürlich hatte sie manchmal darüber nachgedacht. Und sie hatte auch gefragt, in ihrer rebellischen Phase, die sie mit sechzehn hatte und die in ihrer Erinnerung erstaunlich schnell wieder vorbei war. Ihre Mutter hatte ausweichend geantwortet, das wusste Amelie noch. Nicht besonders befriedigend, aber sie hatte sich damit abgefunden.
    «Das denken nämlich die meisten hier. Dass du hier bist, weil du ihn suchst.»
    Miss Fenwick – Ruthie – trank, und ihr Gesicht verschwand fast vollständig hinter dem großen Steingutbecher. Amelie starrte sie an und versuchte zu fassen, was die Worte ihres Gegenübers bedeuten sollten.
    «Hier? Wer … wer denkt denn …» Ihre Stimme klang kratzig, und sie räusperte sich.
    «Alle denken das. Suchst du deinen Vater, Amy?»
    Sie schüttelte entschieden den Kopf. Das konnte sie zumindest ehrlich beantworten. «Gar nicht. Ich suche nach alten Dokumenten. Briefen. Nach … ich schreibe ein Buch.»
    Rasch umriss sie, woran sie arbeitete, und Ruthie hörte ihr aufmerksam zu. Erst nachdem sie fertig war, fand Amelie den Mut, nachzuhaken. «Aber was ist das mit meinem Vater? Wieso glauben Sie, er ist hier? Wieso kennen Sie mich überhaupt?»
    «Jonathan.» Mehr sagte Ruthie nicht. Sie kramte aus der Handtasche ein Spitzentaschentuch und betupfte ihre Nase.
    «Was hat Mr. Bowden …» Ihr kam ein schrecklicher Verdacht. «Ist er etwa …»
    Es passte: die blaue Tür, die ihr so seltsam vertraut vorkam, seine grimmige, feindselige Reaktion …
    «Was? Oh nein, nein, Kindchen!» Ruthie lachte.
    «Aber wieso denken Sie dann alle, dass ich nach meinem Vater suche? Kennen Sie ihn?»
    Ruthie stellte den Teebecher ab. Über den Tisch hinweg nahm sie Amelies Hand und drückte sie mitfühlend. «Herzchen, natürlich kenne ich ihn. Wir alle kennen ihn. Du siehst ihm sehr ähnlich, darum sieht man es sofort. Jedem ist auf den ersten Blick klar, dass du die kleine Amy bist.»
    Amelie wurde plötzlich eiskalt, und sie klammerte sich an ihren Becher. «Wo ist er?», fragte sie leise.
    «Das weiß ich nicht. Aber Jon wird es wissen.»
    «Ist Jon … Mr. Bowden …»
    «Ja, Herzchen. Jonathan Bowden ist dein Großvater. Der Vater deines Vaters.»
    Das musste Amelie erst mal verdauen. Dann ging es gar nicht darum, dass er ihr nicht helfen wollte? Er fürchtete, sie sei hergekommen, um ihren Vater zu suchen, und aus irgendwelchen Gründen wollte er genau das verhindern.
    «Wer ist er?», fragte sie. «Mein Vater …»
    Ruthie hatte es plötzlich sehr eilig. «Tut mir leid, ich fürchte, ich habe schon zu viel gesagt. Wenn du deinen Vater suchst, musst du ihn fragen. In fremde Familienangelegenheiten mische ich mich nicht ein.»
    Amelie packte sie am Arm. «Bitte», sagte sie leise und ließ dann los, weil sie jetzt erst merkte, wie fest ihr Griff war.
    «Nein, da mische ich mich nicht ein. Für dein Buchprojekt aber, da könnte ich dir Peggy empfehlen. Sie ist die Präsidentin des Heimatvereins und sehr engagiert. Bleibst du noch ein paar Tage hier? Beim Apotheker?» Sie zückte ein Notizbüchlein. «Ich schreib mir deine Nummer auf, sie meldet sich dann bei dir.»
    «Ich wollte eigentlich …»
    Amelie biss sich auf die Zunge. Wollte sie auch jetzt noch wirklich abreisen?
    War das nicht ganz und gar rätselhaft, dass sie ausgerechnet in dem Städtchen gelandet war, aus dem ihr Vater stammte? Dass sie sogar ihrem Großvater gegenübergestanden hatte, auch wenn der sie mit so viel Feindseligkeit angesehen hatte, als sei sie das personifizierte Böse?
    Sie konnte jetzt nicht weg. Nein, irgendwie musste sie dieser ganzen Sache auf den Grund gehen. Sie hatte auf Antworten gehofft, als sie herkam, doch stattdessen stand sie jetzt mit einer Menge Fragen da. Also diktierte sie Ruthie ihre Telefonnummer ins Notizbuch, und dann drückte sie ihr zum Abschied die Hand. «Auf bald», sagte Ruthie und lächelte aufmunternd.
    Amelie sank wieder auf den Stuhl. Die Kellnerin kam, und Amelie bestellte noch ein Stück Kuchen und eine Tasse Milchkaffee. Draußen jagten dichte Wolken über den Himmel. Der Nachmittag brachte wieder Regen, und sie hatte plötzlich unbändige Lust, aus dem Städtchen hinauszuwandern und sich richtig schön nassregnen zu lassen.
    Gerade als die ersten schweren Tropfen fielen, erkannte sie Dan, der

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