Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der vergessene Strand

Der vergessene Strand

Titel: Der vergessene Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
Vom Netzwerk:
weinte. Beatrix konnte es ihr nachempfinden. Wäre sie in einer ähnlichen Situation, wüsste sie auch nicht, wie sie Mutterliebe und die Hoffnung auf eine Zukunft unter einen Hut bringen sollte.
    «Er ist so ein kluges Kind. Ich würde …» Sie hob das Kind von ihrem Schoß, klopfte ihm auf den Po und schob es in Beatrix’ Richtung.
    «Na, komm her», sagte sie, und der Junge kam zu ihr. Beatrix stand auf und gab ihm die Hand. «Ich stell dir ein paar andere Kinder vor, ja?»
    Er nickte ernst und stumm. Beatrix verließ mit ihm den Salon. Sie stiegen die Treppe hinauf, und der Junge drehte sich kein einziges Mal um. Er kam gar nicht auf die Idee, dass er seine Mama gerade zum letzten Mal gesehen hatte.
    Die anderen Kinder nahmen ihn als Spielkamerad in ihre Mitte auf. Beatrix blieb nur kurz, um das Kindermädchen zu instruieren; dann ging sie wieder nach unten.
    Ellen wollte gerade gehen.
    Ihre Nase war rot, die Augen verquollen. Sie weinte noch immer. Stumm reichte Beatrix ihr ein Taschentuch, das sie dankbar nahm. «Er ist jetzt bei meinen Kindern», sagte sie leise. «Und dort kann er bleiben, bis ich für ihn ein neues Heim gefunden habe.»
    «Darf ich … darf ich ihn besuchen?»
    «Kommen Sie, wann immer Ihnen danach ist.» Solange es noch möglich war. Hatte sie erst neue Eltern für den kleinen Henry gefunden, würde der Kontakt für immer abreißen. Für das Kind war es besser, für die Mutter schrecklich.
    Aber das, dachte Beatrix, war der Preis, den die Mutter für eine zweite Chance zahlen musste.
    Henry war nicht das erste Kind, das man ihr quasi auf die Schwelle legte, und bestimmt würde er nicht das letzte bleiben. Sie hatte aufgehört, sich darüber zu wundern. Die Mütter waren zumeist in einer Notlage, oder sie hofften, ohne das Kind eine bessere Zukunft zu haben. Bei einem Mädchen war Beatrix nicht mal sicher, ob es wirklich Trisks Bastard war, doch sie hatte den Säugling ebenfalls aufgenommen. Eine junge Kaufmannsgattin aus Bath, von der Beatrix wusste, wie sehnlich sie sich ein Kind wünschte, war dem Mädchen eine gute Mutter geworden. Jeden Monat schrieb sie lange Briefe und berichtete über die Entwicklung des Kindes.
    Warum diese Mädchen so sorglos waren, konnte sie nur vermuten. Vielleicht dachten sie, Trisk dauerhaft an sich binden zu können, vielleicht dachten sie auch gar nicht nach. Schlimm war es nur für die Kinder, die zu früh von ihrer Mutter getrennt wurden und niemals einen Vater hatten.
    Nach dem Abendessen saßen Trisk und sie in der Bibliothek. Er machte keine Anstalten, wie sonst zu später Stunde noch das Haus zu verlassen, und sie genoss es, ihn bei sich zu haben.
    Er schmauchte ein Pfeifchen und trank Brandy, während sie sich über ihre Handarbeit beugte. Abendliches Stricken und Häkeln ließen sie nach einem anstrengenden Tag zur Ruhe kommen.
    «Da ist ein neues Kinderbett im Schlafzimmer der Kinder», begann er.
    «Das stimmt.»
    «Ich habe ihr gesagt, du würdest dich schon um alles kümmern.»
    «Natürlich.»
    «Weißt du schon jemanden, der sich über so einen süßen Knaben freut?» Ein bisschen Vaterstolz schwang mit.
    «Ich weiß nicht. Vielleicht behalten wir ihn ja?» Sie wusste, wie das klang: als redeten sie über einen Welpen, der aus dem Wurf der Jagdhündin übrig geblieben war.
    Trisk schwieg lange.
    «Er ist dir so ähnlich», fügte sie leiser hinzu. Ihr wurde das Herz schwer bei der Vorstellung, dieses Kind herzugeben, denn ja: Es ähnelte so sehr dem Vater wie keines ihrer eigenen Kinder.
    «Hältst du das aus?», fragte er erstaunt.
    Sie warf ihm einen Blick zu. Er hob die Brauen und lächelte entschuldigend.
    «Bisher habe ich doch auch alles ausgehalten», erwiderte sie kühl. «Dann werde ich das hier ebenso ertragen.»
    Sie wusste, worauf er anspielte. Man würde reden. Aber diesem Gerede würde sie stolz entgegentreten. Sie hatte gerade entschieden, den Jungen aufzunehmen.
    «Ich rede dir da jedenfalls nicht rein», sagte Trisk.
    «Nein, du hältst dich immer raus», erwiderte sie kühl.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 9
    D rei Stunden später stand sie mit dem Entschluss auf, abzureisen. Ging noch einmal duschen, putzte die Zähne, schminkte sich sogar dezent (was sie selten tat, nur, wenn sie Lust dazu hatte), und ihr war nicht mal übel. Sie packte, räumte in der Küche das bisschen auf, das man mit viel gutem Willen aufräumen konnte, und ging die Treppe hinunter. Eine weiß lackierte Holztür führte direkt in die Apotheke,

Weitere Kostenlose Bücher