Der vergessene Strand
dahinter lauerte das laute und moderne Leben.
Im Verkaufsraum drängten sich die Kunden, und im ersten Moment überwältigte es Amelie. Aber als sie die grauen und weißen Köpfe zählte, waren es nur drei, und die bediente Dan mit einem freundlichen Lächeln und einem leisen, diskreten Singsang in der Stimme. Sie hielt sich im Hintergrund und wartete.
Gerade wandte sich die letzte Kundin zum Gehen. Sie drehte sich um, sah Amelie, und ihr Lächeln erstarb. So plötzlich, dass es kein Zufall sein konnte, denn diese Reaktion hatte Amelie in den letzten Tagen bei den Einheimischen schon zu oft erlebt. Wortlos schob sich die Frau an ihr vorbei und verließ beinahe fluchtartig die Apotheke.
«Irgendwas haben die gegen mich», sagte sie zu Dan, nachdem die Alte draußen war. Vor der Apotheke traf sie eine Bekannte und begann, laut und hektisch auf Walisisch auf sie einzureden.
«Verstehst du, was sie sagen?»
Dan schüttelte den Kopf. «Darüber bin ich manchmal auch ganz froh, ehrlich gesagt.»
Die Tür ging wieder auf, die tanzenden Glöckchen klimperten, und dann hörte Amelie hinter sich eine Stimme. «Ich hab Ihnen doch gesagt, Sie sollen von hier verschwinden.»
Sie fuhr herum. Jonathan Bowden stand breitbeinig da.
Einen Moment lang wusste sie nicht, was sie sagen sollte. Aber sie hatte keine Lust, sich von ihm einschüchtern zu lassen. Sie hatte ausgeschlafen, und Dan würde schon dafür sorgen, dass der griesgrämige Kerl ihr nichts antat. Angriffslustig verschränkte sie die Arme vor der Brust. «Ach ja? Schön wäre, wenn Sie mir sagen würden, warum ich in diesem Ort angeblich nicht erwünscht bin.»
Er musterte sie, als überraschten ihn ihre Unwissenheit und Angriffslust. Doch er fasste sich schnell. «Das geht Sie gar nix an.»
Er schob sich an ihr vorbei, stellte eine Papiertüte auf den Tresen vor Dan und erklärte: «Das wirkt nicht.»
Dan schaute von Mr. Bowden zu Amelie und zurück. Dann aber siegte seine Professionalität über die Neugier, und er erklärte: «Du wirst das Zeug schon länger als einmal nehmen müssen, Jon. Ich verspreche dir, es wirkt.»
«Bei mir nicht. Konnte überhaupt nicht schlafen.»
«Dein Blutdruck ist ja nicht seit gestern aus dem Gleichgewicht. Gib der Sache eine Woche Zeit, und wenn’s dann nicht besser ist, gehst du noch mal zum Arzt.»
Jonathan Bowden brummelte etwas, das Amelie nicht verstand. Verdammt, sie hatte es satt, sich von diesem alten Griesgram behandeln zu lassen, als habe sie seinen Erstgeborenen geklaut! Darum stellte sie sich ihm entschlossen in den Weg, als er sich zum Gehen wandte.
«Sagen Sie mir, warum.»
Aus dem Augenwinkel sah sie die beiden alten, walisischen Hexen, die den Aufruhr im Innern der Apotheke natürlich bemerkt hatten. Dass sie sich vor lauter Neugier die Nasen nicht an der Schaufensterscheibe plattdrückten, war ein Wunder.
«Das geht Sie nichts an.»
Er wollte an ihr vorbei, aber Amelie packte seinen Ärmel. Später wusste sie selbst nicht so genau, was sie da geritten hatte. Sie wusste nur, dass sie Antworten brauchte.
Als sie ihn berührte, zuckte er zusammen. Riss den Arm hoch, und seine Hand landete irgendwo zwischen ihrer Wange und dem Ohr. Nicht schmerzhaft, es war nur ein Klaps mit dem Handrücken, aber sie erschrak so heftig, dass sie einen halben Schritt zurückmachte und stolperte.
Der Krach, als sie in das Regal mit den Sonnenschutzmitteltuben fiel, war ohrenbetäubend.
«Elendes Miststück!», schrie er erzürnt und stürmte aus dem Laden. Amelie wollte sich aufrappeln, aber sofort war Dan an ihrer Seite. Unwillig schlug sie seine Hand beiseite, sie brauchte ihn nicht, verdammt noch mal! Sie brauchte niemanden, sie brauchte nur endlich Antworten, sie wurde hier noch verrückt.
Sie rappelte sich auf und war im nächsten Moment aus der Tür. Mr. Bowden lief mit hochgezogenen Schultern die Straße entlang, schaute nicht nach links und rechts und überquerte sie. Amelie trabte hinter ihm her. Er erinnerte sie an einen Fuchs, der über eine Lichtung im Wald schnürte.
«Hey!», rief sie hinter ihm her. Und weil er nicht reagierte, beschleunigte sie die Schritte, bis sie fast rannte. Sie holte ihn ein und packte seinen Arm. Diesmal blieb er einfach stehen, drehte sich jedoch nicht zu ihr um und schien einfach nur zu warten, was als Nächstes passierte.
«Entschuldigen Sie, Mr. Bowden, ich will wirklich nicht aufdringlich sein.»
Seine Augen funkelten sie wütend an, als er sich umdrehte. «Das sind Sie
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