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Der vergessene Strand

Der vergessene Strand

Titel: Der vergessene Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
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-jährigen Bestehen von «Piffany’s Studios» hatte der Enkelsohn des letzten Eigentümers, der im 2 . Weltkrieg in der Normandie gefallen war, eine Gedenkschrift mit den schönsten Fotos aus den Archiven seines Großvaters herausgebracht. Das Buch war 1998 erschienen. Vielleicht hatte Amelie ja Glück, und Edwyn Rogers lebte noch in Pembroke. Sie legte das Buch beiseite und machte sich eine Notiz.
    Gerade wollte sie sich dem nächsten Werk zuwenden – einem schmalen Büchlein, das offenbar Rezepte der Bauersfrauen aus Pembrokeshire enthielt –, als sie das Vibrieren ihres Handys bemerkte. Sie stand auf und ging vor die Tür. Erst dort nahm sie das Gespräch entgegen.
    «Hallo, mein Schatz.»
    Amelie fluchte innerlich. Sie hätte doch auf die Nummer schauen sollen, ehe sie das Gespräch annahm. Auf ein Gespräch mit ihrer Mutter hatte sie gerade gar keine Lust. Andererseits hatte ihr Gespräch mit Ruthie Fenwick mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet, und die dringlichste war im Moment die, warum ihre Mutter ihr nie erzählt hatte, dass ihr Vater aus Pembroke stammte. Eine Frage von sehr, sehr vielen, wenn sie ehrlich war.
    «Hallo, Mama.»
    «Immer noch in Pembroke?»
    Irgendwie klang ihre Mutter gehetzt. Beinahe … nervös?
    Das war sie von ihrer Mutter nicht gewohnt.
    «Ein paar Tage bleib ich schon noch.» Sie kickte einen Kiesel weg. «Ich stoße hier gerade auf ein paar interessante Sachen.»
    «So? Zum Beispiel?» Irrte sie sich, oder zitterte die Stimme ihrer Mutter wirklich?
    «Für mein Buch.» Amelie atmete tief durch. Sie wusste, es war keine gute Idee, wenn sie ihre Mutter damit am Telefon konfrontierte. Aber so vieles passierte im Moment, und sie war es leid, sich immer nur von den anderen treiben zu lassen. Von Michael, der um sie kämpfte. Von diesem Buch, das sich störrisch zeigte. Von Jonathan Bowden, der sie anfeindete.
    Und der ihr Großvater war, wenn Miss Fenwick recht hatte.
    «Mama … Waren wir schon mal hier?»
    «Hier? Wo hier?»
    «In Pembroke. Oder zumindest in der Gegend.»
    «Nein. Nein, ich glaube nicht. Mit deinem Vater war ich damals ein-, zweimal in England, aber in Pembroke nie.»
    Amelie spürte, dass ihre Mutter log.
    «Wie kommst du überhaupt darauf?»
    «Ach, nur so.» Wenn ihre Mutter so mit ihr redete, kam Amelie sich vor, als wäre sie wieder dreizehn und versuchte ihrer Mutter zu erklären, warum sie nicht mehr zum Ballett wollte. «Keine Lust» hatte ihre Mutter nicht gelten lassen, keine Lust sei kein Grund, hatte sie gezetert, wann immer Amelie sich weigerte, zu den Stunden zu gehen. Dass die anderen Mädchen gemein zu Amelie waren, weil sie eine Schwäche für Löffelbiskuits und Fürst-Pückler-Schnitten hatte und viel lieber die Nachmittage im Freibad im Schatten lag oder gemütlich planschte, statt sich bei den Stunden zu verausgaben, dass sie von ihnen aufgezogen wurde, weil sie fürs Ballett eh zu fett sei … Das hatte sie damals nicht aussprechen können. Jetzt die Geschichte wiederzugeben, die sie von Miss Fenwick gehört hatte, fiel ihr ebenso schwer.
    «Mir kommt einfach so vieles hier bekannt vor.»
    «Ach, das liegt bestimmt daran, dass alle englischen Städte gleich aussehen. Ist hier doch genauso, ein Kaff ist wie das nächste, da merkst du keinen Unterschied.»
    Amelie grinste. Meine Mutter ist eine echte Großstadtpflanze, dachte sie amüsiert.
    «Es gibt hier ein Haus», sagte sie unbeirrt. «Mit einer blauen Tür.»
    In der Leitung herrschte Stille. Schließlich fragte ihre Mutter: «Ja, und?»
    «Nichts und. Es kommt mir unheimlich vertraut vor. Ich wollte schon klingeln und fragen …»
    «Lass das», fuhr ihre Mutter dazwischen. «Ich meine … du kannst doch nicht bei wildfremden Leuten klingeln, so was macht man nicht.»
    Aha, dachte Amelie. Sagt mir die Frau, die früher mit mir im Urlaub auf dem Bauernhof wie selbstverständlich bei fremden Leuten am Abendbrottisch Platz genommen hat, wenn man sich bei einer Wanderung in den Weinbergen kennengelernt hatte. Schon klar.
    Sie beendete das Gespräch hastig und ärgerte sich, dass sie es überhaupt angenommen hatte.
    Amelie setzte sich auf die Treppe und streckte ihr Gesicht den wärmenden Sonnenstrahlen entgegen. Nach dem mittäglichen Regenguss dampfte die Straße förmlich, und die Luft war unerträglich schwül. Sie blinzelte müde. Früh ins Bett zu gehen, das war ein sehr verlockender Gedanke. War halb fünf am Nachmittag
zu
früh? Vermutlich.
    Sie hielt noch immer das Smartphone in

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