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Der vergessene Strand

Der vergessene Strand

Titel: Der vergessene Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
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weil sie sich für die junge Herrin schämte, die ja für jeden offensichtlich eine gefallene Frau war. Franny hingegen war um Annes Gesundheit besorgt und fürchtete bei jedem Niesen und Hüsteln, dass sie eine tödliche Grippe bekam. Hühnerbrühe gehörte inzwischen zum festen Bestandteil ihres Speiseplans, und in ganz Pembroke gab es kaum mehr Suppenhühner zu kaufen, so sehr hatte Franny in ihrem Bemühen um Annes Gesundheit in den Beständen der Bauern und kleinen Leute gewildert und ihnen mit klingender Münze die schönsten und fettesten Hühner abgekauft.
    «Du siehst gut aus», sagte er leise. Seine Hände lagen auf ihrer Taille, die völlig aus der Form geraten war, und er lächelte sie an. Anne erwiderte nichts. Sie senkte nur den Blick.
    Sie fand sich nicht schön. Ihr Gesicht war klar und zart, die Haare glänzten voll und lockig. Aber ihr Körper war nicht mehr der eines jungen Mädchens, würde es wohl nie mehr sein. Sie fürchtete so sehr, ihm nicht mehr zu gefallen.
    Doch diese Sorge zerstreute er in dieser einen Nacht.
    Hätte sie gewusst, dass es die letzte gemeinsame Nacht sein würde, sie hätte vielleicht jedem Detail die Aufmerksamkeit geschenkt, die ihm gebührte. Sie hätte sich wachgehalten, statt in seinen Armen einzuschlafen, sie hätte sich seine Gesichtszüge eingeprägt, um sie nie mehr zu vergessen.
    So schlief sie neben ihm, und als sie aufwachte, war er schon fort, um den Zug nach London zu erwischen. Was ihr blieb, war die Erinnerung. Und die Hoffnung, er möge sich ein zweites Mal ein paar Stunden stehlen, um sie bei ihr verbringen zu können.
    Für seine Sehnsucht musste natürlich sie büßen. Er verschwand, und mit ihm seine Briefe. Vermutlich hatte Elise Bericht erstattet, und daraufhin hatte die Duchess ihn zur Rede gestellt. Hatte er zugegeben, dass sie noch miteinander korrespondierten? Hatte er Anne schändlich verraten?
    Aber das war nicht alles. Auch die Zahlungen der Duchess blieben aus. Elise quengelte hinter ihrem Wochenlohn her, und als Anne sich weigerte, ihn auszuzahlen, weil sie vermutete, dass ihre Zofe von zwei Seiten Geld bezog, drohte sie nicht mal, zu verschwinden.
    Die Atmosphäre in dem kleinen Haus war vergiftet. Elise und Franny beäugten einander misstrauisch. Das Geld wurde knapp. Anne wandte sich in ihrer Verzweiflung schließlich an Bee, weil sie nicht mal mehr Feuerholz kaufen konnte, und das im Dezember. Sie fürchtete um ihr eigenes Leben und das ihres Kindes. Sie fürchtete die Einsamkeit, und sie fürchtete, auch ihre Schwester würde sie eines Tages verstoßen und im Stich lassen.
    Als Bee zwei Tage später in Pembroke eintraf, fand sie eine völlig verstörte Anne vor, die sich verzweifelt an sie klammerte und flehte, Bee möge sie mit nach London nehmen, sie halte es hier nicht länger aus.
    Und dann erzählte Beatrix ihr, wie es wirklich in London zuging, seit Anne verschwunden war.

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    Kapitel 15
    E ines stand Amelie noch bevor, und das war das Telefonat mit ihrer Mutter.
    Sie hatte Michael gefragt, ob Susanne von ihm erfahren hätte, dass Amelie schwanger war. Er hatte verneint; beinahe erstaunt, dass sie ihm zutraute, mit dieser Nachricht direkt zu ihrer Mutter zu laufen. Aber inzwischen vertraute sie niemandem mehr. Und seit Amelie wusste, dass es eine Vergangenheit gab, die ihre Mutter ganz bewusst all die Jahre verschwiegen hatte, verlangte sie nach Antworten.
    Die bekam sie natürlich nur, wenn sie ihrer Mutter etwas gab. Und sie wusste genau, wie sie das anstellen musste.
    Dieser Morgen war dafür ebenso gut wie jeder andere auch.
    Ihre Mutter klang gewohnt hektisch. «Liebes, dass du dich mal meldest! Geht’s dir gut, ja? Michael hat erzählt, er sei bei dir gewesen, aber sag mal, so recht wollte er nicht mit den Einzelheiten herausrücken. Wo steckst du?»
    Also gleich der schwerste Brocken zuerst. Aber Amelie würde sich nicht aus dem Konzept bringen lassen. «Ich muss dir was erzählen, Mama.»
    «Ich hoffe, nichts Schlimmes.»
    Ihre Mutter klang etwas abwesend, als sei sie nebenher beschäftigt. Das war Amelie gewohnt. Sie konnte sich aber nach dem, was sie als Nächstes sagte, der vollen Aufmerksamkeit ihrer Mutter sicher sein, und das war wichtig.
    «Ich brauchte einfach Abstand nach der Sache mit dieser Sabina», sagte sie leise. «Und hier habe ich gemerkt …» Jetzt bloß nicht den Mut verlieren. «Mama, ich bin schwanger.»
    «Ach, Kind! Das ist ja mal was. Wie schön! Herrje, jetzt muss ich

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