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Der vergessene Strand

Der vergessene Strand

Titel: Der vergessene Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
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Hintern. Viel zu tun, dachte sie.
    Die kalte Asche barg noch Fetzen dessen, was jemand beim letzten Feuer verbrannt hatte, vermischt mit Staub und im Laufe der Jahre zu einer harten Masse erstarrt. Amelie kniete sich vor den Kamin. Sie fuhr mit den Fingern über das Mauerwerk. Auch das war ihr vage vertraut. Sie erinnerte sich, dass sie früher hier gekniet hatte. Als Vierjährige. Das hier war ihr Heim gewesen, daran bestand für sie jetzt kein Zweifel mehr.
    Die Räume wirkten so viel kleiner als in der Erinnerung, der Erinnerung, die sie nicht fassen konnte, die so flüchtig war wie ein Gedankenspiel. Ein Gefühl nur, mehr nicht. Aber eines, von dem ihr ganz warm ums Herz wurde.
    Vom Wohnzimmer, vorbei an den deckenhohen Bücherregalen, denen sie sich später widmen wollte, führte die zweite Tür in den kleinen Flur, den sie schon von der Küche aus gesehen hatte. Eine schmale Treppe nach oben, ein Bad (winzig, aber als sie den Wasserhahn aufdrehte, kam sauberes Wasser heraus, und sogar die Toilettenspülung funktionierte), eine verschlossene Tür.
    Amelie runzelte die Stirn. Eine verschlossene Tür?
    Am Schlüsselbund hingen noch zwei andere Schlüssel, und sie probierte beide aus. Keiner passte.
    Na ja. Vielleicht fand sich der Schlüssel noch in irgendeiner Kaffeetasse oder unter der Fußmatte.
    Sie stieg die Treppe hoch. Der Türsturz war so niedrig, dass Amelie den Kopf unwillkürlich einzog, und dahinter lag eine winzige, schmale Kammer. Zwei weitere Türöffnungen – die Türen hatte man ausgehängt – führten zu den Kinderzimmern unterm Dach.
    Das eine war komplett ausgeräumt, die Böden mit Zeitungen ausgelegt, die Tapeten von den nackten Wänden gekratzt. Sie stand vor dem winzigen Mansardenfenster und starrte in die Ferne – den Küstenpfad entlang, auf dem an diesem sonnigen Sonntag mehrere Wanderer unterwegs waren. Nichts erinnerte mehr daran, dass hier vielleicht mal jemand gewohnt hatte, und wahrscheinlich war es schon zu ihrer Zeit unbenutzt gewesen.
    Sie versuchte es mit dem anderen Zimmer. Die Tür war verzogen, sie musste sich mit aller Kraft dagegenstemmen. Muffige Luft strömte ihr entgegen, und die Gardine vor dem Fenster hing schief und war völlig verschossen, sodass man die kleinen, blauen Elefanten auf rosa Grund kaum mehr erkennen konnte. Unter der Dachschräge stand ein Bettchen, und der kleine Kleiderschrank stand offen, darin war eine Kiste mit Spielsachen.
    Das war mein Zimmer, dachte Amelie. Wieder dieses Gefühl, diese Gewissheit, dass sie einst hier gelebt hatte. Manche Räume dieses Hauses sprachen sehr deutlich zu ihr, andere wiederum hüllten sich in Schweigen. Verschlossen war nur einer, vermutlich das Elternschlafzimmer.
    Sie zog die rot lackierte, offene Holzkiste aus dem Schrank und stellte sie auf den Boden, legte Rucksack und Jacke ab, kniete sich vor die Kiste und begann, darin zu kramen. Ganz behutsam, als fürchtete sie, die winzigen Dinge darin könnten unter ihrer Berührung zerbrechen.
    Eine kleine Puppe, etwa zwanzig Zentimeter groß, mit einem roten Kleid und winzigen, roten Plastikschühchen. Eine Kette aus billigen Plastikperlen, ebenfalls rot. Ein roter Gummiball, von dem sich trocken die oberste Schicht pellte. Ihr früheres Ich schien eine Schwäche für Rot besessen zu haben.
    Eine Handvoll winzige Wäscheklammern, zu denen bestimmt mal eine Kinderwäschespinne gehört hatte. Puppenkleidchen, zu groß für die kleine Puppe mit dem schwarzen Haar. Ein gefalteter Zettel, auf dem in krakeliger Kinderschrift « AMY » stand.
    Sie war sicher, dass sie das nicht geschrieben hatte.
    Schreiben hatte Amelie erst in der Schule gelernt, ebenso lesen. Das wusste sie deshalb noch so genau, weil sie sich im Kindergarten immer geweigert hatte, bei den spielerischen Übungen mitzumachen. «Ich heiße nicht Amelie», hatte sie getrotzt und gebockt, und die Erzieherin, die von allen Kindern Fräulein Gehrens genannt wurde, obwohl sie schon weit über fünfzig und verheiratet war, hatte sie immer wieder gefragt, warum das nicht ihr Name sei und warum sie ihn nicht schreiben wolle.
    Hier hatte sie Amy geheißen. Jonathan nannte sie so, und ihre Großmutter hatte auch Amy geheißen. Und ihr kleines, kindliches Ich, das aus einer Welt herausgerissen worden war, hatte manche Dinge festhalten wollen. «Ich heiße nicht Amelie» – «Ich will Hahn und Henne!» – das alles waren Spuren ihrer Vergangenheit, die erst jetzt ein vollständigeres Bild ergaben.
    Trotzdem

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