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Der vergessene Tempel

Der vergessene Tempel

Titel: Der vergessene Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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das Meer gerichtet. «Denken Sie daran, die wissen immer noch nicht, wer wir sind und was hier vorgefallen ist. Sie spielen auf Zeit. Jemand muss herkommen und die Lage auskundschaften.»
    «Und was machen wir, wenn sie kommen?»

    Ihnen blieb reichlich Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Der Morgen verging, es wurde Nachmittag, aber die Jagdflugzeuge kehrten nicht zurück. Grant bezog oben auf dem Leuchtturm Position und suchte Stunde um Stunde den Horizont ab, doch weder ein Schiff noch ein Flugzeug näherte sich. «Sie haben Angst vor uns», verkündete er, als er zu den anderen hinabstieg, um eine Tasse Tee zu trinken – Muir war es inzwischen gelungen, die Urne in dem Schlafraum zu reparieren. «Der einzige Weg auf diese Insel führt über den Landungssteg. Ein paar Männer mit Maschinengewehren könnten sie hier tagelang abwehren.»
    «Genau wie bei den Thermopylen», bemerkte Reed. Der Gedanke schien ihn aufzuheitern. «Dreihundert Spartaner haben dort die gesamte persische Armee aufgehalten.»
    Marina zog die Augenbrauen hoch. «Und nicht einer von ihnen hat überlebt.»

    Der Nachmittag verstrich quälend langsam. Da sie nichts Besseres zu tun hatten, suchten Muir und Jackson weiter die Insel mit dem Bismatron ab, in der stetig schwindenden Hoffnung, ein Signal aufzufangen. Grant hielt Wache, hin und wieder abgelöst von Marina.
    Nur Reed schien sich keinerlei Sorgen über ihre Lage zu machen. Er saß mit seinem Notizbuch und einem Stapel Papieren in dem Raum mit den Pritschen und brütete unermüdlich über seiner Arbeit. Niemand störte ihn bis auf Muir, der zwischendurch hereinschaute. Er betrachtete das große Blatt, das nach allen Seiten durch mit Klebeband befestigte Zettel erweitert war – die Aufzeichnungen, um die Reeds Bemühungen sich drehten –, und knurrte: «Gibt’s Fortschritte?»
    «Hmm?» Reed blätterte gerade in einem Notizbuch, das nichts als endlose Spalten mit den Schriftzeichen von Linear B zu enthalten schien. «Im Augenblick arbeite ich an den Ortsnamen.»
    Muir wäre beinahe die Zigarette aus dem Mund auf das Papier gefallen – was fatal gewesen wäre. «Habe ich was verpasst? Ich dachte, das alles ist immer noch Kauderwelsch. Woher wissen Sie plötzlich, dass da Ortsnamen vorkommen?»
    «Es ist nur eine Hypothese. Aber eine sehr wahrscheinliche. Wenn Sie sich die Originaltafeln ansehen, die Evans im Palast von Knossos gefunden hat, erscheinen bestimmte Wörter immer wieder in unregelmäßigen Abständen in den Texten, aber stets in derselben Reihenfolge.»
    «Ich verstehe nicht.»
    «Die Tafeln von Knossos folgen bestimmten Konventionen.» Reed suchte nach einem passenden Vergleich. «Stellen Sie sich vor, Sie versuchen etwas über die englische Sprache herauszufinden, indem Sie den Seewetterbericht hören. Die Vorhersage an sich ändert sich täglich, aber die Reihenfolge der Orte bleibt gleich. Wenn Sie Transkripte davon vorliegen hätten, würden Sie feststellen, dass dieselben Wörter immer in derselben Abfolge auftauchen, allerdings in unterschiedlichen Abständen. Lundy, Fastnet, Irische See …»
    «M-hm.» Muir runzelte die Stirn. «Und, was heißt das jetzt? Haben wir es hier mit dreitausend Jahre alten Wettervorhersagen zu tun?»
    Reed seufzte. «Was die Schrifttafeln von Knossos betrifft, nehme ich an, dass es sich um Aufzeichnungen über Steueroder Tributzahlungen handelt, die von den Trabantenstädten auf Kreta geleistet wurden. Und wahrscheinlich wurden die Zahlungen jedes Mal in derselben Reihenfolge aufgelistet.»
    «Und kommen irgendwelche dieser Orte auf unserer Tafel vor?»
    «Das ist nicht die entscheidende Frage. Es ist so: Ortsnamen bleiben oft noch erhalten, wenn die Sprache, aus der sie stammen, längst vergessen ist. Denken Sie nur an London. Der Ursprung dieses Namens liegt vor der Römerzeit, womöglich sogar noch vor den Kelten, und er hat Latein, Angelsächsisch, Französisch, Mittelenglisch überdauert. Wahrscheinlich wird er noch in tausend Jahren bekannt sein. Wenn wir also Ortsnamen identifizieren können, die erhalten geblieben sind – Knossos beispielsweise –, dann wird uns das sehr wahrscheinlich ermöglichen, den Zeichen, mit denen sie dargestellt werden, phonetische Werte zuzuordnen.»
    Er schob seine Brille hoch. «Wie auch immer, da Sie schon fragen – es gibt einen Namen aus den Listen von Knossos, der auf unserer Tafel auftaucht.» Er kramte in seinen Unterlagen. «Hier.»
    Muir betrachtete die drei Symbole – ein Anch,

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