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Der vergessene Tempel

Der vergessene Tempel

Titel: Der vergessene Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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ihn Grant flüsternd. «Wir sind fast da.»
    « Die auch», gab eine andere Stimme zurück – wahrscheinlich war es Muir. Über die Hügel zu ihrer Linken hinweg hörten sie, dass sich das Tuckern eines Motors der Anlegestelle näherte.
    «Muir, Sie führen die anderen zur Spitze der Landzunge.» Grant hatte am Nachmittag die Gegend ausgekundschaftet. An der äußersten Spitze im Nordosten ragte eine Landzunge wie eine Halbinsel weit ins Meer hinaus. «Warten Sie dort.»
    Gleich darauf hatte die Dunkelheit sie verschluckt. Sobald sie fort waren, wandten sich Grant und Marina nach links und begannen den Hang hinaufzurobben. Grant ertastete behutsam den Weg und versuchte, dabei den Vogelnestern auszuweichen, die das Gelände zu einem wahren Minenfeld machten. Mehrmals schlugen ihm beinahe die Schwingen von Möwen ins Gesicht, die, aus dem Schlaf geschreckt, aufflatterten. Er konnte nur hoffen, dass der Motor des Bootes das Geräusch übertönte.
    Sie gelangten an die Kante der Klippe und blickten in den kleinen Hafen hinunter. In der grauen Düsternis erkannte Grant, dass das Patrouillenboot dicht am Ufer lag. Weißer Schaum umgab das Heck, aufgewirbelt von den Maschinen, die das Boot gegen die Strömung auf der Stelle hielten, und auf dem Vorderdeck sah er das Maschinengewehr hin- und herschwenken. Auf dem betonierten Steg kauerte eine kleine Gruppe Männer, die Gewehre im Anschlag. Sie zielten auf die Oberkante der Klippe.
    «Mist.» Grant zog sich vorsichtig zurück. Er kam zu spät: Wenn er jetzt das Feuer eröffnete, wäre er die reinste Zielscheibe. Er dachte daran, es mit einer Handgranate zu versuchen, doch dann würden die auf dem Boot zurückgebliebenen Männer es womöglich mit der Angst zu tun bekommen und verschwinden. Und gerade das wollte er nicht.
    «Keine Hast», redete er sich selbst zu. Er wartete, bis sein Puls sich wieder beruhigt hatte – eine Technik, die sich schon früher bewährt hatte –, dann robbte er zu Marina zurück. «Wir müssen sie raufkommen lassen. Ich nehme an, sie werden zuerst den Leuchtturm überprüfen.»
    «Sollen wir sie auf dem Weg dorthin angreifen?»
    Grant schüttelte den Kopf. «Wir lassen sie gehen, warten, bis die Luft rein ist, und versuchen dann unbemerkt nach unten zu kommen.»
    Sie zogen sich behutsam zurück – keine Sekunde zu früh. Gleich darauf hörten sie schwere Stiefel auf den Steinstufen poltern, und im nächsten Moment erschien eine Gestalt auf der Klippe. Die Silhouette wurde in regelmäßigen Abständen kurz im rotierenden Schein des Leuchtfeuers sichtbar und verschmolz gleich darauf wieder mit der Dunkelheit. Eine zweite Gestalt kam dazu, dann eine dritte. Weitere folgten. Ihre verkrampften, ruckartigen Bewegungen verrieten, wie angespannt die Männer waren. Am oberen Ende der Treppe teilte sich die Gruppe und formierte sich um den Hafen herum zu einer losen Kette. Dann blieben die Männer stehen.
    «Was machen sie?»
    Ein Schuss zerriss die Nacht, gefolgt von unregelmäßigen Salven entlang der russischen Linie. Marina hob ihre Waffe, doch sofort legte Grant die Hand auf ihren Arm und drückte ihn wieder hinunter. «Sie schießen nur auf Möwen. Oder sie versuchen uns zu erschrecken, damit wir das Feuer erwidern.»
    Die Schüsse hörten allmählich auf, und stattdessen schollen nun erregte Rufe durch die Dunkelheit. Grant hörte die Worte nur undeutlich, und wahrscheinlich hätte er ohnehin die Sprache nicht verstanden, aber das vorherrschende Gefühl schien Erleichterung zu sein. Das war gut.
    Durch die unerwarteten Lichtblitze der Mündungsfeuer hatte Grant vorübergehend die Nachtsicht verloren. Während er darauf wartete, dass sich seine Augen wieder an die Dunkelheit gewöhnten, drückte er sich flach auf den Boden und lauschte. Die russischen Soldaten rührten sich noch immer nicht von der Stelle – es schien fast, als warteten sie auf etwas. Dann hörte er es: ein leises Summen im Westen, das stetig anschwoll.
    Grant hob vorsichtig den Kopf und hielt Ausschau. Der Lichtstrahl des Leuchtturms rotierte noch immer über den Himmel, ein rhythmisches Pulsieren an der Unterseite der Wolken wie der Widerschein fernen Granatfeuers. Er wartete, beobachtete. Das Summen wurde lauter. Dann plötzlich sah er, woher das Geräusch kam: von einem Flugboot mit silbrig schimmernder Tragflächenbespannung und einer seltsam gebogenen Form, wie eine Banane. Es glitt unter dem Lichtstrahl hindurch und verschwand wieder aus seiner Sicht. Sekunden später hörte

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