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Der vergessene Tempel

Der vergessene Tempel

Titel: Der vergessene Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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finden.»
    Reed blickte ihn mit müden Augen an. «Und wie wollen Sie das in dieser Stadt mit fast einer Million Einwohnern bewerkstelligen?»
    «Zur Polizei gehen?»
    «Die würden eher uns einsperren. Wir haben nicht einmal unsere Pässe.» Der Professor schüttelte traurig den Kopf und legte Grant eine Hand auf den Arm. «Es tut mir leid. Ich glaube, wir sollten Jackson Bescheid sagen.»

    «Herr im Himmel.» Jackson schleuderte einen Aschenbecher aus Glas quer durchs Zimmer. Er prallte von der dünnen Wand ab, wo er eine deutliche Kerbe hinterließ, und landete auf dem Teppich. Darum herum rieselten Ascheflocken nieder. «Das ist Ihre Schuld, Grant.»
    «Was soll das denn schon wieder heißen? Ich habe sie nicht entführt.»
    «Jetzt begreifen Sie doch endlich. Niemand hat sie entführt.» Jackson lief wütend auf und ab. «Sie hat uns vom ersten Tag an für ihre russischen Freunde ausspioniert. Was glauben Sie denn sonst, warum wir denen ständig über den Weg gelaufen sind – vielleicht weil sie beim selben Reiseveranstalter gebucht hatten? Wie haben sie Sie auf Lemnos aufgespürt? Wie konnten sie uns in Athen finden – und eine halbe Stunde nach uns bei Sourcelles auftauchen? Und woher wussten sie so schnell, dass wir auf der Schlangeninsel waren?»
    «Ich habe keine Ahnung. Aber Marina war es jedenfalls nicht. Sie hat Pembertons Notizbuch sechs Jahre lang versteckt gehalten, ohne irgendjemandem davon zu erzählen.»
    «Wahrscheinlich hat sie nicht geahnt, was diese Aufzeichnungen wert waren. Himmel! Wir hätten ihr niemals trauen dürfen. Wenn Washington das erfährt, werden sie meine Eier gebraten zum Frühstück servieren.»
    «Und wenn sie eine Spionin wäre, warum hätte sie dann ausgerechnet jetzt verschwinden sollen? Unser einziger Anhaltspunkt ist die Inschrift auf der Tontafel, und Reed steht kurz davor, sie zu entschlüsseln.»
    Ein entsetzter Ausdruck huschte über Jacksons Gesicht. «Wo ist die Tafel überhaupt?»
    «In meinem Zimmer.» Reed hatte die ganze Auseinandersetzung von einer sicheren Ecke aus verfolgt. Er schien peinlich berührt, wie ein Hausgast, der unfreiwillig Zeuge eines Ehestreits zwischen den Gastgebern wurde. «Sie ist noch dort. Ich habe vor zehn Minuten nachgesehen.»
    «Marina dachte, sie würde zurückkommen – sie hat ihre Sachen in der Bibliothek gelassen.»
    «Na wunderbar, das beweist natürlich alles. Glauben Sie etwa, sie wäre nicht auf die Idee gekommen, eine falsche Fährte zu legen, damit wir ihr nicht so schnell auf die Schliche kommen, Sie Einstein?»
    Diese Worte waren für Grant der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Ehe Jackson Anstalten machen konnte, sich zu verteidigen, hatte Grant mit drei langen Schritten das Zimmer durchquert und ihn am Revers gepackt. Er riss ihn hoch, schleuderte ihn gegen die Wand und schüttelte ihn wie eine Ratte.
    «Lassen Sie mich los.»
    «Erst wenn Sie sich entschuldigen.»
    «Entschuldigen, wofür denn? Dafür, dass ich Ihre kleine Kommunistenhure beleidigt habe?»
    Es war unmöglich vorherzusagen, was Grant als Nächstes getan hätte, wenn es nicht in diesem Moment an der Tür geklopft hätte. Alle drei Männer fuhren herum.
    «Nicht jetzt», rief Jackson barsch.
    Entweder klang seine Stimme zu erstickt, oder die Person draußen verstand kein Englisch. Jedenfalls wurde die Tür geöffnet. Auf dem Gang stand ein älterer Portier in weißer Uniformjacke. Als er die Szene in dem Zimmer sah, starrte er die Männer entgeistert an und flüsterte: «Telefon.» Er mimte mit Daumen und kleinem Finger einen Hörer. «Telefon für Mister Grant.»
    Grant ließ Jackson los und rannte hinter dem Portier her. In seiner Hast hätte er den Mann beinahe die Treppe hinuntergestoßen. Jackson folgte dicht hinter ihm. Die Rezeptionistin erstarrte ebenfalls, als sie Grants Gesichtsausdruck bemerkte, und hielt ihm stumm das Telefon hin. Grant wollte gerade nach dem Hörer greifen, als Jackson ihn beiseitestieß. «He, der Anruf ist für mich.»
    «Schon. Aber ich will mithören.» Jackson wandte sich an die Rezeptionistin. «Gibt es einen zweiten Apparat?» Er führte mit beiden Händen dieselbe Geste aus wie eben der Portier. « Icki Telefon?»
    Die Rezeptionistin deutete zum anderen Ende des Empfangstresens. Sie steckte etwas an ihrer Schalttafel um, dann nickte sie. Grant und Jackson nahmen die Hörer ab.
    «Grant am Apparat.»
    Die Verbindung war schlecht, es knisterte und rauschte, die Stimme jedoch war klar und eiskalt. «Hier

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