Der vergessene Templer
zu vergessen, denn dieses Geräusch zwang sie einfach zu stoppen.
Da mischte sich so einiges ineinander. Ein Donnern mit Dröhnlauten. Hinzu kam das Kreischen, als wäre etwas dabei, auf schreckliche Art und Weise zu zerreißen. Eine Säge hätte nicht schlimmer durch das Material dringen können.
Hinzu kam das Krachen, wie von gewaltigen Schlägen hinterlassen. Trotz ihrer Angst stoppten sie ihren Lauf und drehten sich gemeinsam um, als hätten sie sie sich abgesprochen.
Der Ritter verfolgte sie nicht mehr. Er hatte den Wagen erreicht, den er wohl als einen Feind ansah. Er stand neben ihm, und beide Hände umklammerten den Schwertgriff. Er riss die Waffe in die Höhe und drosch sie immer wieder nach unten. Das Ziel war der Corsa, den er zu hassen schien, denn er schlug mit einer schon wahnsinnigen Wucht immer wieder auf den Wagen ein.
Sein Schwert zertrümmerte das verhasste Objekt. Einen Grund konnten sich die Flüchtenden nicht vorstellen. Er brachte das Fahrzeug wohl mit den beiden Menschen in Verbindung und wollte alles vernichten, was an sie erinnerte.
Sie konnten nur zuschauen. Es kam ihnen auch nicht in den Sinn, zu versuchen, den Wütenden davon abzuhalten. Zwar liebte Sven seinen kleinen Wagen, er war nur nicht so versessen darauf, ihn gegen sein eigenes Leben zu tauschen, und so war er froh, dass die Waffe des Ritters seinen Wagen zerschlug und nicht ihn und seine Freundin.
Auch Sharon schaute hin. Das Beben war aus ihrem Gesicht gewichen. Es hatte eine unnatürliche Starre angenommen, denn dieses Bild, das beide sahen, kam ihnen so echt vor, wobei es gleichzeitig völlig unnatürlich war, denn so etwas zu sehen, hätten sie sich in ihren wildesten Träumen nicht vorstellen können. Eine Gestalt aus dem Mittelalter zerschlug ein Produkt der Neuzeit.
Obwohl sie den Eindruck hatten, lange auf dem Fleck zu stehen, waren es in Wirklichkeit nur wenige Sekunden, und wieder riss sich Sven Nolte als Erster von dem Anblick los.
»Weg hier!«
Die einfache Sprache reichte aus, um Sharon aus ihrer Starre zu reißen. Sie huschte zwei Schritte zurück und wusste nicht, wohin sie schauen sollte.
Mal auf den Ritter, dann wieder in das Gesicht ihres neuen Freundes.
»Zur Straße!«, schrie er. »Das ist die einzige Möglichkeit. Sonst haben wir keine Chance.«
»Ja, ja... zur Straße...«, wiederholte Sharon. Dann zerrte ihr Freund sie herum, nahm sie an die Hand und ließ sie nicht mehr los.
Gemeinsam rannten sie weiter. Sie waren ein Team und blieben es. Auch in der Dunkelheit fanden sie den Weg, den sie noch vor kurzem gefahren waren. Er war jetzt zu einem dunklen Tunnel geworden, an beiden Seiten umringt von Büschen und niedrigen Bäumen. Sie würden weiterhin nur laufen können. Die Straße hinab, zurück in das Flusstal. Vielleicht kam ihnen jemand in seinem Auto entgegen oder überholte sie, damit sie mitgenommen werden konnten. In der Dunkelheit war die Straße zwar weniger befahren, aber sie war nicht tot.
Und so rannten sie weiter, hielten sich an der Hand, und die Peitsche der Angst trieb sie weiterhin dem Ziel entgegen. Eines aber stand für sie beide fest.
Glauben würde ihnen die Geschichte keiner...
***
Dagmar Hansen, die Frau mit den buschigen naturroten Haaren, war froh, an diesem Symposium nicht teilzunehmen. Sie hatte nicht mal lange überlegt und ihrem Partner Harry Stahl erklärt, dass er allein fahren sollte. Am Abend würden sie sich dann treffen. Sie hatten ein Zimmer in einem kleinen Hotel mit Rheinblick in Lahnstein reserviert und hatten vor, sich noch einen schönen Abend zu machen.
Allerdings nicht allein, sondern zu dritt, denn ihr gemeinsamer Freund John Sinclair war aus London angereist, um ebenfalls an der Veranstaltung teilzunehmen.
Dass er an diesem Symposium so ein gewaltiges Interesse haben würde, glaubten weder sie noch Harry. John kam es auch darauf an, mal wieder alte Freunde zu treffen, denn sie hatten sich wirklich seit langem nicht mehr gesehen. Da es sich kaum lohnte, für einen Tag von London an den Rhein zu kommen, hatte John beschlossen, daraus ein Wochenende zu machen. Natürlich waren Dagmar und Harry Feuer und Flamme für diesen Vorschlag gewesen. Wenn das Wetter mitspielte, und danach sah es wirklich aus, konnte sich das Rheintal in einem der schönsten Flecken der Welt verwandeln. Genau darauf hofften die beiden.
Dagmar ließ sich Zeit. Sie nahm nicht die Bundesstraße am Ufer entlang, sondern hatte sich für einen Weg entschieden, der über die
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