Der vergessene Templer
das nicht«, flüsterte Sven.
»Ja, finde ich auch.«
Sven stand auf. »Halte mich nicht für feige, Sharon, aber ich denke, dass wir von hier so schnell wie möglich verschwinden sollten. Wir packen zusammen und dann weg. So etwas habe ich noch nie erlebt. Das kann ich mir auch nicht erklären.«
Sharon Ford war einverstanden. Sven war ihr mit seinem Vorschlag nur zuvorgekommen. Sie hatte auch das Gefühl, dass sie sich beeilen musste, dass dieser Ort für sie gefährlich werden konnte. Irgendetwas kochte unter der Erde. Sie hatte schon an ein Erdbeben gedacht, aber das gab es in dieser Gegend wohl nicht.
Sie packten die Sachen wieder in den Picknickkorb. Trotz ihrer recht langsam durchgeführten Bewegungen war bei ihnen eine leicht zittrige Hektik nicht zu übersehen. Sie beeilten sich, und noch während sie arbeiteten, erwischte sie die zweite Stufe.
Wieder rumorte es.
Diesmal härter und lauter. Zudem breitete es sich aus und erreichte die Oberfläche. Sven warf einen kurzen Blick vor seine Füße, und er glaubte, sich in einem Traum zu befinden.
Er sah einen Riss im Boden!
Mit Sharon wollte er darüber nicht sprechen. Jetzt war nur wichtig, dass sie die Flucht antraten. Das Ungeheuerliche, das eigentlich nicht hätte wahr werden dürfen, war dabei, sich zu zeigen. Auch er glaubte an einen kleinen Vulkanausbruch oder an die Vorboten eines Erdbebens und konnte sich auch vorstellen, dass plötzlich die gesamte Umgebung ins Schwanken geriet und sie sich wie auf einem gewaltigen Floß befanden.
Er schnappte sich den Korb, in dem noch nicht alles eingepackt war, dann riss er mit seiner freien Hand Sharon an sich, und im nächsten Moment gab es für sie nur die Flucht.
Sie sagten auch nichts mehr. Sie liefen los, als würden sie vom Teufel persönlich gejagt. Den Hang hochzugehen war kein Problem für sie gewesen. Doch jetzt mussten sie die Schräge hinab, und das gestaltete sich schwieriger.
Die Angst saß ihnen im Nacken, denn das Rumoren in der Erde hatte aufgehört. Der Donner ging weiter. Er pflanzte sich in alle Richtungen hin fort, und tatsächlich erschienen auch weitere Risse. Aus ihnen hätte eigentlich beißender Rauch ins Freie quellen müssen. Das passierte jedoch nicht, was sie wiederum wunderte.
Beim Hochgehen hatten ihnen die nach außen wachsenden Steine geholfen. Jetzt wurden sie zu Stolperfallen, und es war Sharon, die es erwischte. Sie bekam den harten Stoß gegen ihre Schuhspitze mit und verlor im nächsten Moment die Balance. Sie lief mit schnellen Schritten noch vor, aber es reichte nicht.
Plötzlich sah sie den Boden auf sich zukommen, und in einem Reflex streckte sie ihre Arme aus, um den Fall abzubremsen. Sie schrie auf, die Arme knickten ihr weg, der Körper geriet in eine Rollbewegung, und so überschlug sich Sharon mehrere Male, als sie den Rest der Hangfläche hinabrutschte.
Sie hörte den Schrei ihres Freundes. Sven konnte ihr auch nicht helfen und sie abfangen. Er war erst bei ihr, als sie auf dem Boden lag, zitterte und ihr das Herz Blut in den Kopf pumpte.
»Sharon, mein Gott, ist dir was passiert?«
»Nein, ich lebe noch.«
»Kannst du...«
»Klar, ich will hoch.« Ob ihr wirklich etwas passiert war, wusste sie nicht. Wenn ja, dann waren es nur Kleinigkeiten, ein paar blaue Flecke und so, verstaucht war nichts. Schürfwunden entdeckte sie auch nicht, und sie musste jetzt zugeben, dass sie verdammt viel Glück gehabt hatte und nicht über Steine gerutscht oder gegen sie gestoßen war.
In den letzten Minuten war sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen. Da hatte sie auf das Rumoren im Boden nicht mehr geachtet. Jetzt wurde sie wieder daran erinnert, als es in ihrem Rücken aufklang.
»Wir müssen weg!«, drängte Sven. »Hier kann jeden Moment die Erde aufbrechen und uns verschlingen. Ich weiß ja auch nicht, wieso!«, schrie er verzweifelt. »Das ist noch nie passiert.«
»Dann los!«
Sven hatte den Korb stehen lassen. Wichtig war, dass sie diesem Horror entkamen, für den es keine Erklärung gab. Es war in den letzten Minuten alles anders geworden. Das Schicksal hatte sich gedreht und die Dinge auf den Kopf gestellt.
Ihr Ziel war der Wagen. Sie würden sich so schnell wie möglich in den Corsa hineinsetzen und...
Der gewaltige Krach hinter ihnen sorgte dafür, dass sie an ihre Flucht nicht mehr dachten, beide stehen blieben und sich an den Händen haltend wie auf Kommando umdrehten.
Sie schauten zurück. Sie mussten es einfach tun, denn es war für sie
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