Der vergessene Templer
saßen wir hier und aßen wie drei Touristen, während ein Zombie-Ritter die Dunkelheit durchstreifte und womöglich nach Menschen Ausschau hielt, die er mit seinem verdammten Schwert umbringen konnte.
»Bitte, sag noch mal die Namen der beiden.«
»Sven Nolte und Sharon Ford.« Dagmar lächelte knapp. »Sie ist übrigens eine Landsmännin von dir und wirklich nur durch Zufall in diese Sache hineingeraten.«
»Dieser Sven auch?«
Harry Stahl stieß mich an. »He, denkst du an eine alte Abrechnung, die Victor von Narbonne durchziehen will?«
»Das weiß ich nicht. Aber ich schließe nichts aus. Kann man auch gar nicht.« Meinen Kopf drehte ich jetzt dem Fenster zu und schaute über den Strom.
Er floss in seiner unerschütterlichen Ruhe dahin. Es gab kein Hoch- und auch kein Niedrigwasser. Alles war so perfekt, wie es in den Prospekten immer beschrieben wurde, aber in der Dunkelheit konnte sich auch das Grauen leicht verstecken, und ich ahnte, dass uns noch eine lange und gefährliche Nacht bevorstand...
Zuerst hatte Sharon Ford nicht gewollt, dass ihr neuer Freund sie allein im Zimmer ließ. Sie hatte sich auf das Bett gesetzt und gegen ihn gelehnt, noch immer zitternd, obwohl die große Gefahr vorbei war und sich niemand auf ihre Spur gesetzt hatte.
Doch die Erinnerungen waren nicht vorbei. Die trieben nach wie vor durch ihren Kopf. Je mehr sie darüber nachdachte, umso stärker kam ihr zu Bewusstsein, welches Glück sie letztendlich gehabt hatten, und sie mussten auch Dagmar Hansen wahnsinnig dankbar sein, dass sie es geschafft hatte, beide in Sicherheit zu bringen.
Manchmal fror sie, manchmal schwitzte sie. Aber sie wusste auch, dass sie nicht über Stunden hinweg auf der Bettkante sitzen bleiben konnte. Dagmar Hansen hatte beide gebeten, nach unten zu kommen, wenn es ihnen wieder besser ging.
»Ich glaube, ich kann jetzt allein bleiben, Sven.«
Er strich Sharon’s Haar zur Seite, um in ihr Gesicht schauen zu können. »Wirklich?«
»Bestimmt.«
»Und wann gehen wir nach unten?«
»Ich klebe. Ich fühle mich verschmutzt. Ich möchte mich noch unter die Dusche stellen. Ich rufe dich dann an, wenn alles okay ist. Dann können wir auch nach unten gehen.«
»Abgemacht.«
Zu einem anderen Zeitpunkt hätte er versucht, mit ihr zusammen unter die Dusche zu steigen, aber nicht nach den schrecklichen Erlebnissen. Es würden sich noch andere Gelegenheiten ergeben.
Er hauchte Sharon einen Kuss auf die Lippen und verließ das Zimmer. Die Engländerin blieb noch einige Zeit auf der Bettkante sitzen und schaute ins Leere. Sie hing ihren Gedanken nach und dachte daran, dass das Erlebte nur ein böser Traum war. Aber das war es nicht. Kein Traum, die Tatsachen und die Erinnerungen erzählten das Gegenteil.
Sie wollte sich duschen, da hatte sie nicht gelogen. Zuvor wollte sie noch einen Blick aus dem Fenster werfen, obwohl sie sich schon ein wenig vor der Dunkelheit fürchtete, denn die Dunkelheit konnte auch dem Ritter als ideales Versteck dienen.
Trotzdem traute sie sich.
Das Zimmer besaß nur ein Fenster. Es war zudem recht klein, denn der Raum lag in der oberen Etage. Schräge Wände sorgten dafür, dass die Gäste an bestimmten Stellen geduckt gehen mussten, und auch das Bett stand unter der Schräge.
So weit wie möglich zog sie das Fenster auf. Sie wollte die verbrauchte Luft austauschen und auch den Blick ins Freie werfen. Das Zimmer lag nicht zum Fluss hin, und so schweifte der Blick gegen und über die Dächer der Häuser. Unter ihr befand sich ein Hof. Da nur eine Lampe brannte, erkannte sie nicht viel. Nur so viel, dass der Platz dort nicht leer war, man hatte einiges an Dingen dort aufgestapelt, was irgendwann abgeholt werden würde.
Obwohl sie den Rhein nicht sah, wehte ein frischer Luftstrom gegen ihr Gesicht. Sie roch das Wasser, und sie hörte auch die Geräusche der wenigen, noch fahrenden Schiffe. Aber der normale Trubel, der tagsüber im Ort herrschte, war so gut wie nicht mehr vorhanden. So war eben der Strom besser zu hören, der seine Fluten wie vor Jahrhunderten durch das Bett schob und der Mündung in den Niederlanden entgegenfloss.
Alles war okay. Sie hätte tief durchatmen können, wenn nicht die verdammten Erlebnisse gewesen wären, die ihr nicht aus dem Kopf wollten. Und wieder dachte sie daran, welch großes Glück sie gehabt hatte.
Ihren Vorsatz hatte sie trotzdem nicht vergessen. Sharon mochte es nicht, wenn der kalte Schweiß auf ihrer Haut klebte. Sie stellte das Fenster
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