Der vergessene Templer
Wenn Sharon das Zimmer verlassen hatte, warum war sie dann nicht zu ihm gekommen? Sie wusste ja, wo er sich aufhielt. Er hatte ihr alles erklärt.
Es hätte auch sein können, dass er ihr begegnet wäre, doch beide Möglichkeiten waren nicht eingetreten.
Irgendetwas war da nicht rund gelaufen, und genau das machte ihm keinen Spaß.
Außerdem lag die Kleidung noch vor der schmalen Tür zum Bad am Boden. Sharon war sicherlich nicht nackt weggelaufen, sie musste die Kleidung gewechselt haben, aber was war dann geschehen?
Wenn eine Angst einen Menschen anspringen kann, so war das bei Sven Nolte jetzt der Fall. Er fühlte sich plötzlich bedrängt von seinen eigenen schlimmen Vorstellungen. In seinen Hals hatte sich ein dicker Kloß gedrückt, und um seinen Magen herum zog sich auch einiges zusammen. Die Herzschläge spürte er als Echos bis oben im Kopf, und mit einer wilden Bewegung drehte er sich auf der Stelle. Sven spürte die gleiche Panik in sich, die er beim Anblick des verfluchten Ritters erlebt hatte, und er wusste auch, dass er etwas unternehmen musste.
Das Zimmer kam ihm plötzlich vor wie eine Falle, aus der er herausmusste. Auf der schmalen Steige wäre er beinahe über seine eigenen Beine gestolpert, so eilig hatte er es. Mit einem Sprung drehte er sich um das Geländer, erreichte die nächste breitere Treppe und hörte genau das, vor dem er sich bisher gefürchtet hatte...
***
Ich lief schnell, aber auch lautlos. Allmählich wichen die Schatten, sodass ich besser sehen konnte. Vielleicht hatten sich meine Augen auch auf die neuen Lichtverhältnisse eingestellt. Letztendlich war es egal.
Es gab eine offene Hintertür, aber kein helles Licht. Vom Freien her wehte der Wind in den Flur hinein und strich auch durch mein Gesicht. Wie Schattenrisse zeichneten sich drei Gestalten ab, die allerdings nicht starr waren. Sie bewegten sich von der Tür weg, und es sah ganz so aus, als würde ein Schatten es nicht unbedingt freiwillig tun. Er sah von der Form her etwas anders aus als die übrigen, und so kam mir der Gedanke, dass es sich um eine Frau handelte.
Leider waren die Männer dunkel gekleidet und hatten sich der Umgebung gut angepasst. Für einen Augenblick dachte ich an die zwei Typen, die das Restaurant verlassen hatten, doch es war nur ein flüchtiger Gedanke.
Aber ich schlenderte nicht weiter, sondern beeilte mich. Dabei wunderte ich mich, wie lang der Gang war, vielleicht kam er mir auch nur so vor, und ehe ich mich versah, wehte die kühle Nachtluft um mein Gesicht.
Ich stand im Freien.
Automatisch holte ich meine Waffe hervor, hielt sie in der Hand und schaute mich um.
Meine Verfolgung war gesehen worden. Obwohl die zwei Typen die Frau schon weiter in den Hof gezogen hatten und jetzt auf eine schmale Gasse zugingen, drehte sich einer von ihnen um.
Er sah, dass ich mich in Bewegung setzte, und so rannten wir aufeinander zu.
Eine Lampe breitete Licht hier im Hof aus, der auch als Abstelllager diente. Der auf mich zurennende Mann wurde vom Licht nur gestreift. Das reichte mir aus, um ihn zu erkennen.
Es war tatsächlich jemand aus dem Restaurant.
Weiter im Hintergrund kämpften der andere Typ und die Frau, die plötzlich zu schreien begann. Sie hatte ihren Schock überwunden und wehrte sich gegen die Kräfte ihres Entführers.
Alles lief so wahnsinnig schnell ab. Ich konnte mich um die Frau nicht kümmern, denn der dunkel gekleidete Kerl tauchte vor mir auf. Bei diesen Lichtverhältnissen hatte ich das Gefühl, in ein dunkles Betongesicht zu schauen, das sich jetzt verzerrte, und ich sah, wie der Mann mit einer klobigen Waffe auf mich anlegte.
Schalldämpfer!, dachte ich noch und tauchte weg.
Er befand sich mitten in der Bewegung, doch er drückte trotzdem ab, und ich hörte dieses widerliche Geräusch, das entstand, weil der Schussknall so gedämpft wurde.
Die Kugel verfehlte mich.
Der Kerl gab nicht auf.
Er drehte sich um. Ich wollte ihn anschreien, die Waffe wegzuwerfen, doch das hätte keinen Sinn gehabt. Man spürt irgendwie, wozu der andere fähig ist, und so musste ich schneller sein.
Meine Beretta besaß keinen Schalldämpfer. Entsprechend laut klang der Schuss.
Sofort danach wechselte ich meinen Standort und sah, wie der Typ vor mir zusammenzuckte. Er geriet aus dem Rhythmus. Wo ich ihn erwischt hatte, sah ich nicht, aber ich bemerkte, wie er taumelte und noch versuchte, sich auf den Beinen zu halten.
Es war nicht mehr möglich. Er knickte nach links weg. Dabei streckte er
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