Der vergessene Turm: Roman (German Edition)
herbeigeschafft werden, Feldküchen hieß es bereitzustellen; und Köche mussten gefunden werden, die diese unterhielten. Da waren Unmengen an Kartoffeln zu schälen und Rüben zu putzen und Brote zu backen und Sickergruben auszuheben und Wasserkrüge zu finden und zu füllen. Auch galt es, warme Mäntel aufzutreiben für die, die in den immer kühler werdenden Nächten auf Wache gehen würden und was nicht alles.
Es wurde eine lange Liste an Aufgaben, die Circendil am Endezusammenstellte, und weitere würden mit den folgenden Tagen dazukommen, weil gewiss noch längst nicht alles bedacht worden war. Tallia und Frau Amagata kamen mit dem Schreiben kaum nach, und Herr Ludowig holte zu ihrer Unterstützung die schnellsten Schriffer aus der Colpia.
Dann setzten sie die ersten Boten ein – zumeist Postboten, die Herr Hamblád von ihren eigentlichen Pflichten entband –, und sie wurden mit eiligst aufgesetzten Briefen und dem Siegel des Vahogathmáhirs versehen auf ausgeruhten Ponys die Mittelstraße entlang nach Süden entsandt.
Ihr Hufgeklapper war kaum verklungen, als der Sverunmáhir sich höchstpersönlich anbot, aus dem Kreis der Büchereyschüler einen schnellen und zuverlässigen Laufbotendienst aufzubauen, damit Meldungen unverzüglich ihren Bestimmungsort erreichten.
Für den Fall neuer Brände gab der Bürgermeister Circendils Ratschlag als Dauerbefehl aus, entlang der Straßen große Fässer mit Löschwasser bereitzustellen, auf dass niemand erst zum Fluss eilen musste.
Freiwillige Wachtposten meldeten sich. Circendil wies sie ein, und wenig später setzten sich die dafür eingeteilten Vahits in Richtung auf die am Außenrand des Khênbrada gelegenen Brochs in Marsch, um von deren Dächern aus den Himmel im Auge zu behalten.
Wieder fiel Finn Herrn Banavreds langes Himmelsrohr ein, und er wünschte, sie hätten es vor Tagen suchen, finden und aus dem Turm schaffen können. Seltsam, dachte er, und ihm war, als schlösse sich auf geheimnisvolle Weise ein Kreis: Alles hatte ja irgendwie mit Banavreds Himmelsbeobachtungen begonnen, und jetzt machte sich ein gutes Dutzend Vahits auf, um genau das zu tun. Dann schalt er sich einen Narren, denn Banavred hatte schließlich die Sterne beobachtet und nicht nach grässlichen Vögeln Ausschau gehalten, und er merkte, dass es seine Gedanken waren, die sich zunehmend im Kreise drehten, und er den Stimmen um ihn herum kaum noch zu folgen vermochte.
Zuletzt wurden Nachtwächter bestimmt. Außerdem Torwachen, die Tag und Nacht an den Dorfeingängen standen. Namen wurden gerufen, Anordnungen erteilt. Gesichter kamen und gingen und kamen und gingen. Es schien kein Ende zu nehmen.
Darüber verging die Zeit, zäh wie Sirup und doch wieder nicht, und es war längst Mittag geworden, ohne dass Finn es recht bemerkt hatte.
Erschöpft und zu Finns großer Erleichterung löste Wredian Gimpel die Versammlung für eine Stunde auf. Als Finn im Kreise der Rohrsangfamilie stand und sich nach Tallia umsah, konnte er sie nirgendwo entdecken.
20 . KAPITEL
Vor langer Zeit
S CHON BALD, NACH EINEM nur allzu raschen Mittagessen, das aus einem warmen Eintopf und Brot bestand und das sie im Stehen einnahmen, währenddessen die Vahits aufgeregt durcheinanderschwatzten, rief die kleine Glocke des Bürgermeisters sie zurück auf die Bänke und Stühle. Der Kreis der Anwesenden war um einiges geringer geworden, eine Folge der vielen Aufträge, die auch an einige aus dem Rat ergangen waren.
Einen Teil der Tische hatte man fortgeräumt, und sie saßen nun näher beieinander. »Also schön«, sagte Wredian, »an viele Dinge haben wir gedacht und entsprechend gehandelt. Aber darüber haben wir vollständig Euer Buch vergessen und Euer Gleichnis vom Schlüssel, wenn ich mich recht entsinne. Ich gestehe, ich verstehe immer noch nicht, wie es uns von Nutzen sein soll, es sei denn, Ihr wollt damit ein paar Gidrogs erschlagen.«
Circendil musste trotz der ernsten Lage lächeln. »Davor möge mich Aman oder zumindest Herr Taddarig bewahren. Nein. Bei allen Pfeilen, die wir künftig zu unserer Verteidigung verschießen werden – sie können den herannahenden Krieg nicht aufhalten. Wer das denkt, ist töricht!
Ich sagte vorhin, es sei wichtig, die Hintergründe zu verstehen. Um was zu tun? Nun, um vielleicht einen Punkt zu finden, an dem wir ansetzen und die Absichten des Feindes aushebeln können. Dahin geht meine eigentliche Hoffnung. So war es schon, ehe ich aus meiner Heimat aufbrach
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