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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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und sie machten sich auf den Weg zum Nordwall.
    Der Wind drehte nach Süden, als sie die deckungsfreie Mulde hinunterliefen und auf ihrem Grund mit dem Schatten der Ringmauer verschmolzen.
    Circendil ging langsam voran. Finn folgte, Gatabaid an der Hand, und Mellow bildete die Nachhut. Sie tasteten sich an der ihnen himmelhoch erscheinenden Wand aus Caeraban entlang. DasGras dämpfte ihre Schritte. Sie selbst achteten auf das kleinste Geräusch. Der Wall schluckte das Rauschen des Wirrelbachs in seinem Inneren vollständig. Sie hörten vom Waldrand her die ersten Käuze krächzen und vernahmen das helle, kaum hörbare Pfeifen zur nächtlichen Jagd aufbrechender Fledermäuse. Nach einer Zeit, die ihnen endlos vorkam, obwohl nur wenige Minuten verstrichen, hielten sie an, als sie den Tennlén, der von links kommend die Mulde querte, mehr ahnten als sahen: ein dunklerer Streifen im Grau des Grases.
    Circendil bedeutete ihnen zu warten; dann schlich er geduckt um den Sockel und verschwand im gähnenden Rachen des Torbogens. Gedämpft hörten sie jetzt das Toben des dahinschießenden Baches: Die hohen Wände zwischen den beiden Türmen verwandelten das Schäumen des Wassers durch ihr Echo in ein gurgelndes, dumpfes Brodeln.
    Der Abstand der beiden Türme war auch im Nordwall so groß, dass acht Ponyreiter nebeneinander das Tor hätten passieren können. Finn wagte sich ein paar Schritte hinein und machte sich so klein wie möglich. Was er sah, war wenig; und doch genug, um eine Vorstellung davon zu bekommen, was sie erwartete.
    Von hier bis zum Beginn der Brücke waren es etwa siebzig Klafter; zwanzig davon entfielen auf die Mauerbreite, die restlichen fünfzig Klafter bis zum Ufer querten ohne jede Deckung den freien Platz innerhalb des Ringwalls. Jenseits der Brücke brannte auf halbem Weg zur Mauer hinauf das große Wachtfeuer. Es warf zuckende Schatten in die gebogene Höhe des Walls; der Turmstein warf einen rötlichen Schein zurück und mutete an, als würde er von innen heraus glühen. Es sah gespenstisch aus   – als lebte die Mauer und bewege ihre Schultern ruckartig. Finn wagte nicht, länger im Torweg zu verharren; er kehrte um und schlich sich zu Mellow und Gatabaid zurück.
    »Was ist? Hast du die Gidrogs gesehen?«, wollte Mellow wissen. »Oder Circendil?«
    »Weder noch. Nichts außer dem Feuer.«
    Sie warteten stumm, eine Ewigkeit, so schien es.
    Plötzlich stand Circendil wieder bei ihnen.
    »Es sind keine Wächter auf dieser Seite des Flusses«, berichtete er flüsternd. »Auch die Brücke selbst ist unbewacht. Bis zur Mitte liegt sie in tiefstem Schatten. Aber es brennt ein zweites Feuer   – von hier aus gesehen hinter dem zweiten Wall. Es ist, wie ich schon sagte: Sie wähnen euch immer noch am rechten Ufer und wollen verhindern, dass ihr das Hüggelland verlasst . Sie wissen nicht, wo ihr seid: längst hier am linken Ufer. Und sie ahnen nicht, dass ihr wieder hineinwollt. Die Gesichter der beiden Wachen sind nicht zur Brücke, sondern ins Land hinein gerichtet. Sie stehen am Anfang und am Ende des Torwegs. Sie warten auf jemanden, der von dort kommt. Und rechnen nicht damit, dass jemand so töricht wäre und dorthin will!«
    »Töricht trifft es ganz gut«, sagte Mellow. »Oder wie würdet Ihr nennen, zu was wir uns anschicken? Denn das ist es, was bei der Sache herauskommt: Wir werden sie eines Besseren belehren. Also schön, was tun wir, wenn wir auf der Brücke sind?
    »Wir werden sie täuschen. Gebt mir zehn Minuten. Ich bin gleich wieder hier. Aber bleibt im Schatten der Mauer und rührt euch nicht.«
    Schon war der Mönch wieder fort, und seine leisen Schritte verschluckte das Gras der Mulde.
    »Lässt er uns allein?«, flüsterte Gatabaid besorgt.
    »Nein, hab keine Angst«, flüsterte Finn zurück. »Er braucht uns, genau wie wir ihn brauchen. Er lässt uns nicht allein.« Er warf einen Blick die himmelwärts strebende Mauer hinauf, doch schon der Versuch machte ihn schwindeln, und er wandte den Blick rasch abwärts. So kauerten sie, dicht an den Turmstein gedrängt, und lauschten hinaus in die graue Düsternis.
    Sie schätzten, die zehn Minuten waren eben vorüber, als sie ein Rascheln hörten und Circendil mit fast unhörbaren Schritten die Mulde heruntergelaufen kam und sich neben sie kauerte. Er nahm seinen Rucksack ab und suchte etwas darin; dann zückte er seinenDolch, und sie bemerkten erst jetzt, dass er einen langen Ast und ein paar dünnere Zweige mitgebracht hatte. Mehr tastend

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