Der Vergessene
schweigend und beobachteten uns. Sukos Untersuchung dauerte nicht lange. Mir war aufgefallen, dass er auch geschnüffelt hatte, und als er wieder neben mir stand, bekam sein Gesicht einen nachdenklichen Ausdruck.
»Dein Kommentar?«
Er zuckte die Achseln. »Es riecht verbrannt, denke ich.«
»Das habe ich auch festgestellt.«
»Bis auf die Lippen sind äußerlich keine Anzeichen zu sehen. Er muss innerlich vom Feuer gefressen worden sein. Wenn du mich fragst, ist es mir ein Rätsel.«
»Sogar eine verdammt schwere Nuss«, sagte ich und drehte mich um, weil ich wusste, wie gespannt Tanner auf unsere Meinung war. Er stand auch dicht vor uns, strich dabei über seine Oberlippe und schaute uns lauernd an.
»Was willst du hören?«
»Die Wahrheit, John.«
»Okay. Da kann ich für Suko mitsprechen. Die Wahrheit ist, dass dieser Mann innerlich verbrannt ist.«
»Stimmt.«
Ich hob die Schultern. »Wir sind noch nicht lange hier, Tanner. Möglicherweise hast du mehr herausgefunden.«
»Nein, habe ich nicht. Aber ihr liegt mit eurer Meinung schon richtig.«
»Wie ist es denn dazu gekommen?« erkundigte sich Suko. »So urplötzlich, oder ist dem etwas vorausgegangen?«
»Ja, sein Mörder. Und er ist von zahlreichen Zeugen hier gesehen worden. Dazu kommen wir später. Bleiben wir zunächst bei der Todesursache. Der Tote heißt Sam Elam. Er ist tatsächlich verbrannt, und das auf eine Art und Weise, die ich persönlich nicht nachvollziehen kann. Man hat ihm auch keinen brennenden Stock in den Mund geschoben, nein, er ist auf eine andere und völlig verrückte Art und Weise umgebracht worden.« Tanner legte eine kurze Pause ein, bevor er weitersprach. »Man hat ihn durch einen Kuss getötet.« Ich sagte nichts.
Auch Suko schwieg. Wir schauten uns an, während Tanner auf uns blickte.
Irgendwann fing ich an zu lachen. Mir war das Unwirkliche der Situation bewusst geworden. Die plötzliche Stille, die Blicke der Männer, und ich fragte schließlich, ob wir uns verhört hatten.
»Nein, John, habt ihr nicht. Dieser Mensch ist durch einen Kuss getötet worden. Totgeküsst. Es soll ja Menschen gegeben haben, die totgekitzelt wurden. Dieser hier ist totgeküsst worden, und das habe ich mir durch die Zeugen hier bestätigen lassen. Ich warte jetzt nur noch auf die Aussagen des Wirts, den der Killer zwar verletzt hat, aber unser Doc meint, dass er ihn wieder hinbekommt, bevor er ihn in die Klinik schafft. Der Mann hat als einziger Mut bewiesen. Er kann allerdings auch von Glück sagen, dass er mit dem Leben davongekommen ist.«
»Was war hier los?« fragte Suko.
»Ich verlasse mich da auf die Zeugenaussagen«, erklärte der Chief Inspector. »Folgendes ist geschehen.« Tanner senkte seine Stimme, als er uns den Vorgang erklärte, wie er von den Gästen hier erlebt worden war. Wir ließen ihn erst reden, danach stellten wir unsere Fragen.
»Kannte man ihn?«
»Nein, Suko, er war fremd. Man hat ihn hier nie gesehen. Und es hat auch nicht so ausgesehen, als hätte ihn Elam gekannt, als sich der Mörder zu ihm an den Tisch setzte. Allerdings hat er ihn auch nicht von seinem Platz vertrieben. Die beiden haben sich unterhalten, und zwar sehr leise, so dass andere Gäste nichts mitbekommen haben. Getrunken hat der Killer Mineralwasser.«
»Es muss zwischen den beiden eine Verbindung gegeben haben«, überlegte ich.
»Sind Namen gehört worden?« fragte Suko.
»Nein, leider nicht.«
»Hatte der Tote Papiere dabei?«
Tanner nickte. »Wir wissen, wo er wohnt.« Er grinste uns an. »Ich war noch nicht in seiner Wohnung, weil ich mir dachte, dass dies eine Aufgabe für euch ist.«
»Das kennen wir ja!« murmelte ich.
»Da muss etwas anderes dahinterstecken, John. Etwas, das in euren Bereich fällt.«
»Sehe ich auch so. Was ist mit dem Wirt?«
»Er hat sich ihm in den Weg gestellt. Er wollte ihn aufhalten. Als Wirt fühlt man sich wie ein Kapitän, aber der andere ließ sich nicht aufhalten.« Tanner stöhnte leicht auf. »Was ich euch sage, das habe ich von den Zeugen erzählt bekommen. Dieser Killer muss übermenschliche Kräfte besessen haben. Er hat den Wirt aus dem Weg geräumt. Er hat ihn angefasst wie eine leichte Puppe, hochgehoben und ihn gegen den Tresen gewuchtet. Anschließend hat er ihn genommen, durch die Luft geschleudert und ihn in die Gäste hineingeworfen. Ihr seht ja die umgekippten Tische und Stühle sowie die zerbrochenen Gläser und Flaschen. Danach ist er gegangen. Der Arzt meinte, dass der Wirt
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