Der Vergessene
verdammt viel Glück gehabt hat. Es hätte auch anders für ihn ausgehen können.«
»Also wieder ein Mordversuch?«
»Ja, Suko, so kann man es sehen. Dieser Typ ist ein Ereignis. Er ist ein Wahnsinniger, könnte man meinen, doch ich denke da in eine andere Richtung.« Nach diesem Satz schaute er uns bedeutungsvoll an.
Klar, wir wussten, was er damit meinte. Er dachte mehr an ein dämonisches Wesen mit übermenschlichen Kräften. Hinzu kamen der Todeskuss und die inneren Verbrennungen des Opfers.
»Wie sah er aus?« fragte Suko.
Wir erhielten keine exakte Beschreibung. Damit konnten wir nichts anfangen. Allerdings würden wir den Mann auch nicht übersehen, sollte er uns noch einmal über den Weg laufen. Suko ließ trotzdem nicht locker. »Hast du eine Ahnung, John?«
»Überhaupt nicht. Ich kann spekulieren, aber das bringt nicht viel.«
»Ein Mensch mit übermenschlichen Kräften. Demnach ist er kein richtiger Mensch, sondern mehr ein Zerrbild. Oder jemand, der menschliche Gestalt angenommen hat.«
»Worauf willst du hinaus?«
»Tja - worauf?« Suko lächelte. »Er könnte eine Kreatur der Finsternis sein, meine ich.«
»Und was noch?«
»Später vielleicht, John.«
Der Arzt gesellte sich zu uns. »Wenn Sie wollen, können Sie jetzt ein paar Sätze mit dem Mann wechseln. Aber rücksichtsvoll, das kennen Sie ja.«
»Stimmt«, sagte ich.
Der Wirt lag vor der Theke. Er schaute zu uns hoch. Auf der Trage hatte er einen guten Platz gefunden. Er hatte sich verkrampft, wie jemand, der sich davor hütete, eine falsche Bewegung zu machen. Suko und ich stellten uns vor, fragten nach seinem Befinden und erfuhren, dass es sich jetzt aushalten ließ.
»Wir haben auch nur einige wenige Fragen«, sagte Suko.
»Ich kann nicht viel sagen.«
»Vielleicht reicht das Wenige schon aus.«
»Versuchen Sie es.«
In der Tat war der Mann, der auf den Namen Charlie hörte, sehr mutig gewesen. Er hatte seine Angst überwunden und sich dem Killer in den Weg gestellt.
»Dabei haben Sie ihn angefasst, nicht?« Er deutete ein Nicken an.
»Was haben Sie gefühlt?«
»Weiß nicht - nichts…«
Ich wurde präziser. »Hat sich dieser Mensch anders angefühlt als ein normaler, sage ich mal?«
Charlie schloss die Augen. Er dachte nach. Es war ihm anzusehen, aber es dauerte, bis er uns eine Antwort geben konnte. »Was soll ich da sagen«, murmelte er. »Es hat sich schon anders angefühlt, glaube ich. Er trug ja Lederkleidung. Einen langen Mantel…«
»Und darunter? Haben Sie dort nichts gespürt?«
»Seine Haut war so hart - das schon.«
»Warm? Kalt…?«
»Keine Ahnung, Mr. Sinclair. Es ging alles so wahnsinnig schnell. Dieser Kerl war kein Mensch mehr, sondern ein Teufel. Ein irrsinniger, einer der durchdrehte, der durchgeknallt ist, glaube ich. Damit musste man erst mal zurechtkommen.« Er hustete. »Also ich habe so etwas noch nie in meinem Leben erlebt. Das kann ich Ihnen sagen.«
»Und er hat Sie einfach gepackt?« fragte Suko.
»Hochgehoben und weggeworfen, nachdem er mich gegen den Tresen geschlagen hat.«
»Hat er mit Ihnen gesprochen?«
»Ja, aber ich habe die Worte vergessen. Ich glaube auch, dass er mich auslachte.« Er hob die Schultern. »Es ist alles so verdammt beschissen, ehrlich. Das habe ich noch nie erlebt. Das ist wirklich der reine Wahnsinn gewesen.«
Wir bedankten uns für seine Auskünfte. Danach wurde er aus seiner Kneipe geschoben.
»Und nun?« fragte Tanner.
Ich zuckte mit den Schultern. »Es wird wohl keinen Sinn haben, wenn wir die anderen Gäste hier befragen. Sie werden auch nichts anderes gesehen haben, denke ich.«
»Da sind wir uns einig.« Tanner schob seine Hände in die Hosentaschen. »Es steht jedenfalls fest, dass wir es mit einem ungewöhnlichen Killer zu tun haben. Mit einer Person, die zumindest stärker ist als ein Mensch. Ein Gewichtheber scheint er auch nicht zu sein. Da hätte er anders ausgesehen.«
Ich wusste, was Tanner wollte und worauf er lauerte. »Okay«, sagte ich abschließend. »Du kannst zufrieden sein. Der Fall gehört ab jetzt uns.«
Tanner verzog den Mund. »Ich weiß nicht einmal, ob ich mich darüber freuen soll.«
»Warum nicht?«
»Einen wie ihn würde ich gern persönlich verhaften und auch an den Pranger stellen.«
»Das kann ich mir denken.«
Tanner schrieb uns noch die Adresse auf. »Ich nehme an, ihr werdet euch seine Wohnung ansehen.«
»Sogar noch in dieser Nacht.«
»Gut, ich habe bis in die Frühe Dienst. Ich höre dann wieder von
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