Der Vergessene
fragte Suko.
»Hier schon.«
Er knipste es an. Ein normaler Flur lag vor uns. Es zweigten verschiedene Türen davon ab. Die Wände waren hell gestrichen, da störten auch die etwas dunkel gehaltenen Bilder nicht, die eine Garderobe einrahmten, an der vier leere Kleiderbügel hingen. Nur der fünfte war belegt. Einen grauen Sommermantel hatte Sam Elam dort aufgehängt.
Wir gingen davon aus, allein in der Wohnung zu sein und konnten uns an die Durchsuchung machen. Es gab ein Bad, ein Wohnzimmer, ein kleines Schlafzimmer und eine Küche. Alles mit hellen, leichten Möbeln eingerichtet.
Nach etwas mehr als einer Minute hatten wir uns einen ersten Eindruck verschaffen können, der positiv ausgefallen war. Hier hatte ein Mensch gelebt, der seine Wohnung in Ordnung gehalten hatte. Kein schlampiger Junggeselle, sondern ein Mieter, der nicht auffiel und sich bestimmt in die Hausgemeinschaft integriert hatte. Nun aber war er tot.
Totgeküsst worden, um anschließend von einem inneren Feuer verzehrt zu werden.
Genau das passte nicht zu den Umständen in dieser Wohnung. Es war uns nicht genug, einen kurzen Blick in die Räume zu werfen, wir wollten sie durchsuchen und mehr über die Lebensumstände des Mannes herausfinden, der völlig normal bei einer Versicherung beschäftigt gewesen war.
»Dann nehme ich mir mal das Schlafzimmer vor«, sagte Suko. »Ziehst du auch hier die Rollos herab?«
»Klar, geh schon.« Im Wohnzimmer befand sich das größte Fenster, das beinahe bis zum Boden reichte. Das Rollo ließ ich vorsichtig herab, um so wenig Geräusche wie möglich zu machen. Es schloss fast dicht.
Nur weit oben zeigten sich kleine Spalten. Erst dann schaltete ich das Licht ein. Die Deckenleuchte brachte viel Helligkeit, denn drei Lampen strahlten in verschiedene Richtungen hinab.
Auf das Licht der beiden Stehlampen konnte ich verzichten und auch auf das der bauchigen Standleuchte, die auf einer hellen Bank stand.
Dort fanden sich auch die elektronischen Geräte: die Glotze, der Videorecorder und die Stereoanlage.
Eine bunte Couch in etwas verwaschen wirkenden Farben. Zwei graue, schmale Kordsessel, ein Schreibtisch, der mehr als Ablage für Flaschen diente, weil er zu klein war, um daran zu arbeiten. Ich öffnete ihn nicht, sondern schaute mir zuerst die Bilder an den Wänden an. Es waren Aquarelle in blassen Farben, doch die Bilder interessierten mich weniger. Ich dachte vielmehr an den besonderen Schlüssel am Bund, der eigentlich nur für einen Safe geschaffen war. Und ihn fand man oft versteckt hinter Bildern.
Der Reihe nach schob ich die Bilder zur Seite, und mein Gesicht wurde immer länger. Nichts, nur die glatte Wand, kein Safe, kein eingebauter Tresor.
Es wäre auch zu schön gewesen. Etwas Persönliches musste es in dieser Wohnung geben, davon war ich überzeugt, und deshalb gab ich die Suche nicht auf. Ich wollte im Regal nachschauen, das nur zum Teil offen war, ansonsten aber eingebaute Schränke besaß, hinter deren Glastüren das Porzellan aufbewahrt wurde.
Dazu kam ich nicht mehr. Suko tauchte in der offenen Tür auf. Er räusperte sich und sagte dann: »Kommst du mal…«
Ich drehte mich um. »Wohin?«
»Ins Schlafzimmer.«
»Hast du was entdeckt?«
Er gab mir keine Antwort, sondern ging vor. Auf der Schwelle zum Schlafzimmer blieb ich zunächst einmal stehen. Ich sah das helle Bett, den Schrank, auch das Fenster, das ebenfalls durch ein Rollo geschützt wurde. Davor stand der Schreibtisch mit dem PC und der Telefonanlage darauf. Das war nicht wichtig, denn Suko deutete auf den Schrank mit den offenstehenden Türen. »Schau mal rechts unten in die Ecke, John.«
Dort stand ein viereckiger Kasten. Graugrün gestrichen, ein Tresor, den ich im Wohnzimmer vergeblich gesucht hatte.
»Sehr gut«, sagte ich, »und hier ist der Schlüssel.«
»Dann bück dich mal.«
»Immer ich«, murmelte ich und kroch fast in den Schrank hinein. Die dort hängenden Hemden und Jacken berührten meinen Nacken, aber das war egal.
Ich schloss den Tresor auf. Die Tür war recht schwer, was mich wunderte, und als ich den ersten Blick hineinwarf, sah ich die Unterteilung in zwei Fächer.
Beide waren belegt. Im oberen lag eine dunkelgrüne Ledermappe, eine Etage tiefer einige Geldscheine, ungefähr tausend Pfund, und Papiere, die locker zusammengeheftet waren. Beides reichte ich Suko, der die Beute auf das Bett legte. Ich setzte mich zu ihm, und gemeinsam machten wir uns daran, die Fundstücke zu sichten.
In der Mappe
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